Der „Kümmerer“ vom Ortsbeirat

Kommunalpolitik

Der „Kümmerer“ vom Ortsbeirat

Albrecht Fribolin engagiert sich seit 35 Jahren für den Stadtteil

„E bissje Herzblut muss man haben“, sagt Albrecht Fibolin. Sonst wird das nichts mit dem Ortsbeirat. Er muss es wissen. Schließlich engagiert er sich seit 1980 in dem Stadtteilgremium, ist mit 35 Jahren Zugehörigkeit dienstältestes der 19 Mitglieder.
Anfangs wusste er gar nicht, auf was er sich einlässt. Der Sindlinger Fribolin, in der katholischen Gemeinde und als Handballer im Turnverein aktiv, heiratete 1974 Christel Wäger. Ihr Großvater Theodor Bröker hatte 1946 die Sindlinger CDU mit gegründet, ihr Onkel Heinrich Bröker war CDU-Vorsitzender vor Theo Sittig. Auch der Industriekaufmann und staatlich geprüfte Betriebswirt Fribolin fand seine politische Heimat in der CDU, der er 1975 beitrat. 1977 fragte ihn der damalige CDU-Vorsitzende und Stadtbezirksvorsteher Theo Sittig, ob er nicht für den Ortsbeirat kandidieren wolle. „Ich wusste gar nicht, was das ist, habe aber Ja gesagt“, erinnert er sich. Als Zweiter auf der Wahlliste kam er zunächst nicht zum Zug. Am 26. Februar 1980 jedoch verabschiedete sich ein Parteifreund und Fribolin rückte nach. „Seitdem turne ich da rum“, zwinkert er.
„Ich war 32, wir hatten ein Baby, ich begann als Prokurist in einer neuen Firma, spielte Handball und engagierte mich im katholischen Familienkreis. Aber als junger Mann kriegt man das hin“, schildert er die Umstände zu Beginn seiner politischen Karriere. Karriere? „Für viele ist der Ortsbeirat ein Sprungbrett. Sie streben nach Höherem, wollen Stadtverordnete werden oder in den Landtag“, sagt er: „Ich aber nicht. Ich habe mich immer für den Stadtteil eingesetzt“. Weder Ortsvorsteher, noch Fraktionsvorsitzender wollte er werden – „Dafür hatte ich gar keine Zeit“.
Es stört ihn nicht, dass der Ortsbeirat nichts entscheiden kann. „Ein Beirat berät, sonst nichts“, sagt Fribolin. Die Palette der Wünsche und Anregungen ist groß: Straßen, Wege, Schulen, Kindergärten, Baugebiete, Verkehrsführungen, Radwege, Friedhöfe, Grünanlagen und vieles mehr, was die Menschen direkt vor Ort betrifft, wird an die Stadtteilvertreter heran getragen. Sie kümmern sich auch um kleine und kleinste Dinge. „Wir sind die Kümmerer“, ulkt Fribolin: Vieles von dem, was früher der Stadtbezirksvorsteher in die Hand nahm, läuft heute in Form von Anfragen und Anträgen über den Ortsbeirat. Beschädigte Gehwege, Schmierereien, der Wunsch nach Mülleimern, Gießkannen auf dem Friedhof oder die Reparatur einer beschädigten Laterne werden nicht formlos an die zuständigen Stellen gegeben, sondern beantragt, womöglich diskutiert und abgestimmt. Fribolins erster Antrag am 27. Februar 1980 galt der Meister-Schule. Sie war gerade zur Ganztagsschule geworden und brauchte die entsprechende Ausstattung. „Wir haben tagelang am Wortlaut gefeilt“, erinnert sich der CDU-Mann.
Damals schrieb er ein, zwei Anträge im Jahr. Heute reicht er zu fast jeder Sitzung welche ein. Seine Kollegen tun das auch, so dass der Beirat, der für die 130 000 Einwohner der westlichen Stadtteile zuständig und damit der größte seiner Art ist, bei seinem monatlichen Sitzungen immer eine lange Tagesordnung durchnimmt. Fribolin bewertet das skeptisch: „Es wird zuviel geschrieben“, findet er. Seiner Auffassung nach sollten die Ortsbeiräte gründlicher prüfen, ob ein Bürgeranliegen berechtigt ist oder nicht. Sie sollten abwägen, ob ein individueller Wunsch im Sinn der Allgemeinheit ist, bevor sie einen Antrag einreichen, wünscht er sich.
In seinen Anfangsjahren waren die politischen Diskussionen länger, die Verhältnisse klar. Die CDU hatte mit elf Sitzen die absolute Mehrheit. „Die Arbeit war weniger intensiv“, sagt Fribolin, „es gab mehr Kernthemen, weniger Nippes“. Bald darauf zogen erstmals Grüne in das Gremium ein. „Sie brachten eine neue Diskussionskultur in die eher starren Strukturen“, erzählt er. Sie hatten auch Anliegen, die weit über einen Beirat hinaus reichten. „Ich erinnere mich, dass wir mal stundenlang über eine Resolution zu Nicaragua gestritten haben“, berichtet der Ortsbeirat. Heute wirken sieben verschiedene Parteien in dem Gremium mit. Da ist die Fähigkeit, Kompromisse zu finden, gefragt. „Das ist ja gewissermaßen der Charakter von Politik in der Demokratie: Den guten Interessensausgleich finden“, meint der 66-Jährige, der seit vielen Jahren auch Vorsitzender des Sindlinger CDU-Ortsvereins ist.
Zum Charakter eines Ortsbeirats jedenfalls sollte gehören, dass er sich in seinem Stadtteil auskennt und den persönlichen Kontakt zu den Bewohnern pflegt. „Ich laufe mit offenen Augen herum und sehe, wo etwas nicht in Ordnung ist. Und die Leute können mich jederzeit ansprechen und tun das auch“, sagt er. Solange es geht, möchte er auch weiterhin für die Sindlinger da sein: „Ich habe vor, bei der Kommunalwahl wieder anzutreten“, erklärt Albrecht Fribolin. Ans Aufhören hat er zwar mal gedacht – „Weil alle rundum immer jünger werden“. Heute sitzt er mit Kollegen in der Runde, von denen manche so alt sind wie seine Kinder. Aber „ich mache es halt gern. Die Kommunalpolitik ist eine interessante Sache“, findet der Sindlinger. hn

Unser Mann im Ortsbeirat, seit 35 Jahren: Albrecht Fribolin, Sindlinger mit Herz und Seele. Archivfoto: Michael Sittig

Unser Mann im Ortsbeirat, seit 35 Jahren: Albrecht Fribolin, Sindlinger mit Herz und Seele. Archivfoto: Michael Sittig

Sagt der Scheich zum Fribolin: Jetzt ist Fastnacht, da geh'n wir hin! Fribolin und Claus Lünzer sind die beiden Sindlinger Vertreter im Ortsbeirat Sechs. Foto: Michael Sittig

Sagt der Scheich zum Fribolin: Jetzt ist Fastnacht, da geh’n wir hin! Fribolin und Claus Lünzer sind die beiden Sindlinger Vertreter im Ortsbeirat Sechs. Foto: Michael Sittig