Ein Leben für die Landwirtschaft

Ein Leben für die Landwirtschaft

Herbert Hansen feierte seinen 90. Geburtstag

Wenn die ganze Familie zusammen kommt, wird es eng im Haus: Vier Kinder, acht Enkel und drei Urenkel haben ihrem Vater, Opa und Uropa Herbert Hansen am 12. März 2015 zum 90. Geburtstag gratuliert.
Es war das dritte große Ereignis innerhalb weniger Jahre. Vor zwei Jahren wurde seine Frau Rosel 90, vergangenes Jahr beging das Paar seine Eiserne Hochzeit, nun feierte Herbert Hansen den runden Geburtstag. Unter den Gratulanten waren auch einige ehemalige Kollegen. Hansen war zeitlebens Landwirt. Er bewirtschaftete die Äcker, die seine Frau Rosel, geborene Spengler, mit in die Ehe gebracht hatte.
Die beiden lernten sich 1949 kennen. Herbert Hansen war in Westpreußen auf einem Bauernhof aufgewachsen, mit 16 Jahren zum Reichsarbeitsdienst und danach in die Wehrmacht einberufen worden und geriet am Ende in russische Kriegsgefangenschaft. Neben der harten Arbeit und der schlechten Versorgung zehrte auch die Ungewissheit an ihm. Wohin hatte es seine Familie verschlagen? „Weihnachten 1947 habe ich über das Rote Kreuz eine Karte an meinen Bruder geschickt. Ich wusste nur, dass er bei den Deutschen Werken in Kiel gearbeitet hatte“, berichtet er. Dennoch gelang es dem Roten Kreuz, seine Eltern ausfindig zu machen. Als sie ihm ihrerseits eine Karte schickten, war Herbert Hansen glücklich: „Jetzt wusste ich, wo ich hinkonnte“, sagt er. So kam er nach der Freilassung 1948 zunächst nach Kiel. Auf 80 Pfund abgemagert, dauerte es eine Zeit, bis er wieder richtig zu Kräften gelangte. Dann suchte er Arbeit. Sein Bruder Helmut, der zwischenzeitlich in Sindlingen lebte und in den Farbwerken Hoechst arbeitete, vermittelte ihm eine Anstellung als Freileitungsmonteur in Hattersheim.
1949 lernte er beim Milchholen Rosel Spengler kennen. Sie bewirtschaftete den Hof der Familie ganz alleine mit ihrer Mutter, denn ihre Brüder waren gefallen, ihr Vater verstorben. Die beiden jungen Leute mochten sich auf Anhieb. „Ich war Landwirt, hier wurde einer gebraucht – also haben wir nicht lange gewartet“, sagt er. Noch im selben Jahr heirateten die beiden. Mit dem tatkräftigen jungen Landwirt erlebte der Betrieb einen Aufschwung. „Am Anfang war ja alles noch Handarbeit“, rufen die beiden in Erinnerung. Pferde zogen den Pflug, Aussaat, Unkraut hacken und Ernten gingen von Hand vor sich. Hansens bauten Getreide und Kartoffeln an, hielten Kühe, deren Milch sie täglich zur Sammelstelle brachten, und weiteres Vieh. Enormen Fortschritt brachte der Kauf des ersten Traktors 1956. Bald folgte ein weiterer, eine Melkmaschine kam hinzu und schließlich erwarben die beiden sogar gemeinsam mit einem Nachbarn einen Mähdrescher.
In dem Maß, in dem die Mechanisierung zunahm und gleichzeitig Höfe aufgegeben wurden, wuchs der Betrieb. „Am Anfang waren fast 30 Landwirtschaften in Sindlingen, heute sind es noch zwei“, sagt Herbert Hansen. Immer, wenn ein Hof schloss, übernahm er Äcker und vergrößerte so seine Fläche. Einmal aber musste er Land weggeben: „Als die Schnellstraße und die Mainbrücke gebaut wurden, mussten wir verkaufen“, sagt er. Vom Erlös baute er ein Haus auf einem Nachbargrundstück. Dort und in weiteren Gebäuden unmittelbar nebenan wohnen drei seiner vier Kinder. Die Enkel genossen es, auf dem Schlepper mitzufahren, alle freuten sich über Obst und Gemüse aus dem Garten der Hansens in den Wingerten. 1989 ging Herbert Hansen in Rente und gab seine Landwirtschaft ab. Noch immer informiert er sich mit dem landwirtschaftlichen Wochenblatt über die aktuellen Entwicklungen. Den Garten bewirtschaften er und seine Frau ebenfalls wie gehabt, wie sie auch ihren Haushalt selbst in Schuss halten. Ein täglicher Spaziergang hilft, fit zu bleiben. Außerdem nehmen Hansens gerne an Veranstaltungen im Stadtteil teil. Für Vereine, Hobbys oder Reisen hatten sie nie Zeit: „Wir hatten ja immer Tiere“, sagt Herbert Hansen. Trotzdem sind die beiden mit allem zufrieden. „Man muss es nehmen, wie es kommt. Ändern kann man ja ohnehin nichts“, sagen sie. hn

Herbert Hansen (Mitte) feierte am 12. März seinen 90. Geburtstag. Dazu gratulierten (von links) Tochter Edith, Ehefrau Rosel, Sohn Horst und Tochter Regina. Foto: Michael Sittig

Herbert Hansen (Mitte) feierte am 12. März seinen 90. Geburtstag. Dazu gratulierten (von links) Tochter Edith, Ehefrau Rosel, Sohn Horst und Tochter Regina. Foto: Michael Sittig