Zu viel, zu dicht, zu wenig Luft und Raum

Zu viel, zu dicht, zu wenig Luft und Raum

Neubaugebiet Bürgerinitiative fordert Verzicht auf Bebauung oder zumindest Mitsprache bei der Planung

So nicht. Am liebsten überhaupt nicht. Aber wenn, dann bitte weniger, umwelt- und sozialverträglich und mit vernünftiger Anbindung. Das sind die Forderungen der Bürgerinitiative gegen das Neubaugebiet nördlich der Farbenstraße und westlich der Ferinand-Hofmann-Siedlung.

Patrick Stappert, Ilona Klein sowie Claudia und Franz Ilg, die die BI gegründet haben, erfahren dafür viel Zuspruch. Im Januar luden sie zu zwei Informationsveranstaltungen ein. Zu beiden kamen jeweils rund 70 Interessierte. Sie erfuhren, dass die Stadt im Bestreben, Wohnraum für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs zu schaffen, unter anderem einen großes Baugebiet am Sindlinger Ortsrand ins Auge fasst. Dort könnten 2000 Wohnungen für 4000 Menschen entstehen. Dafür müssten Sportanlage und Kleingärten verlagert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bebauung in unmittelbarer Nähe zur chemischen Industrie nicht gegen die Seveso-Richtlinie verstößt.

Das ist nach wie vor ungeklärt, was allgemein auf Unverständnis stieß. „Da lässt niemand die Katze aus dem Sack“, sagte Patrick Stappert. Der junge Landwirt wäre unmittelbar in seiner Existenz bedroht, wenn ihm die gepachteten Ackerflächen genommen würden. Auch um den Feldhamster wäre es dann geschehen, erläuterte Melanie Albert von der AG Feldhamsterschutz. Im fraglichen Gebiet findet sich die letzte stabile Population Frankfurts. Da der kleine Nager europaweit vom Aussterben bedroht sei, werde er stark geschützt. Eine Bebauung verstieße gegen die Schutzgesetze, erklärte die Biologin. Die Erfahrung habe aber gezeigt, dass in solchen Fällen meist eine Lösung gefunden und dann doch gebaut werde. Sie wies darauf hin, dass die Felder zwischen Ortsrand und B40 eins der beiden letzten naturnahen Erholungsgebiete Sindlingens seien. „Lassen Sie sich das nicht nehmen“, appellierte sie. Außerdem dienen die Grünflächen als Frischluftschneise, um eine übermäßige Aufheizung des Orts während des Sommers zu verhindern, führte Ilona Klein aus. Das sei ein weiterer Grund, warum die BI ihren Erhalt fordere.

Sportplatz und Gärten sollen bleiben, wo sie sind

Gegner der Bebauung wie auch Befürworter eines maßvollen Wachstums waren sich darin einig, dass es ein unverantwortlicher Umgang mit Steuergeld sei, Sportplatz und Kleingärten zu verlagern. Die Vereine, die sie nutzen, leisteten zudem einen wichtigen Beitrag zum sozialen Leben im Ort. Der Stadtbezirksvorsteher Sindlingen-Süd, Dieter Frank, sowie der evangelische Pfarrer Ulrich Vorländer wiesen darauf hin, dass eine neuen Bebauung aber auch eine Chance für den Stadtteil sein könnte. „Veränderung gehört dazu“, sagte Vorländer, um einzuschränken: „Nicht in der Größe allerdings“. „Wir möchten keinen sozialen Brennpunkt“, betonte Frank. Er verwies auf eine Untersuchung zur sozialen Benachteiligung, nach der Sindlingen von 110 Ortsbezirken auf Rang 95 abgerutscht sei. Noch weitere Redner äußerten ihre Sorge über steigende Belastungen, soziale Probleme und die ungeklärte Frage der Anbindung. In der Hinsicht hat die Stadt viel Kredit verspielt, als sie den Bau der Internationalen Schule genehmigte, ohne eine adäquate Zufahrt zu schaffen. Seither leiden die Anwohner der Wohnstraßen unter massiven Verkehrsproblemen.

Viele Fragen, wenig Antworten. „Was ist eigentlich das grundsätzliche Ziel der BI?“, fragte Frank: „Sind Sie grundsätzlich gegen jede oder für eine eingeschränkte Bebauung?“ – „Unser grundsätzliches Ziel ist gegen eine Bebauung“, sagte Patrick Stappert. Aber wenn gebaut wird, „wollen wir mitreden“, betonte Franz Ilg, „und zwar frühzeitig, nicht erst, wenn schon alles geplant ist“.

Um möglichst viel Gewicht in die Waagschale werfen zu können, hat die BI in sechs Geschäften Unterschriftenlisten ausgelegt: bei Heimtier- und Gartenbedarf, Geschenkartikel Samen-Schmitt, Inhaber Ulrich Schlereth, Farbenstraße 41, Axel Schreibwaren, Westenberger Straße, Schuhmacherei Nikolaus Moos, Huthmacherstraße 16, Ladengeschäft Obsthof Werner, Richard-Weidlich-Platz, Pizzeria Pomodoro, Hugo-Kallenbach-Straße 12, Kleidergeschäft Klein, Hugo-Kallenbach-Straße (neben Smart-Markt). Bis April können sich Bürger dort eintragen. hn

Viele Bürger machen sich Sorgen wegen des angedachten Neubaugebiets am westlichen Ortsand.  Foto: Hans-Joachim Schulz

Viele Bürger machen sich Sorgen wegen des angedachten Neubaugebiets am westlichen Ortsand.
Foto: Hans-Joachim Schulz