Schnüffeln mit der Schnupper-App

Schnüffeln mit der Schnupper-App 

Industriepark Infraserv informiert über Geruchs-Messprogramm – Rundgang für Bürger am 8. Mai

Mohamed Amhamdi wohnt nicht in Sindlingen, doch die Straßenzüge in unmittelbarer Nachbarschaft des Industrieparks Höchst kennt er ganz genau. Zwei, drei Mal pro Monat ist er im Lachgraben, der Gustavsallee und in der Küferstraße unterwegs, manchmal vormittags, dann wieder abends oder auch mitten in der Nacht. Sein Job: Er schnuppert. Der 26-Jährige ist einer der Prüfer, die für die Olfasense GmbH im Auftrag von Infraserv Höchst Geruchsmessungen im Umfeld des Industrieparks durchführen. Seit 2007 lässt der Betreiber des Industrieparks das Messprogramm zur Erfassung der Geruchsbelastung in Sindlingen und Kelsterbach durchführen.

Es wirkt ein bisschen seltsam, wie Mohamed Amhamdi an der Straßenecke Pfingstbornstraße/Am Lachgraben verharrt, starr auf sein Handy blickt und immer wieder tief durchatmet. Zehn Minuten lang steht der Mechatronik-Student, der eine leuchtend-orangefarbene Warnweste trägt, beinahe regungslos an einem Fleck. Im Zehn-Sekunden-Rhythmus dokumentiert er über eine spezielle, von Olfasense für die eigenen Mitarbeiter entwickelte App, ob er einen Geruch wahrnimmt und falls ja, welche Art von Geruch. „Man kann das sehr gut unterscheiden, ob es nach Kläranlage oder Chemie riecht“, sagt der Prüfer, der seit Anfang 2016 für das in Kiel ansässige Institut rund um den Industriepark Höchst unterwegs ist. Und wie oft riecht es unangenehm? „Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal ist gar nichts, manchmal gleich an mehreren Messpunkten, und dann wieder nur an einer Straßenecke“, sagt Amhamdi. „Es kann auch mal ein paar Minuten riechen und dann ist wieder nichts mehr.“ Die Experten sprechen von „schwallartigen Gerüchen“, wenn die geruchsbeladene Luft aufgrund besonderer meteorologischer Bedingungen nach unten gedrückt wird und kurzzeitig in einzelnen Straßen wahrnehmbar ist.

Wenn der 26-Jährige eine der insgesamt vier definierten Routen abläuft, muss er sich an jedem einzelnen Messpunkt mit dem Handy anhand eines GPS-Signals registrieren und dabei auch die Wetterdaten angeben, die später von Olfasense noch einmal verifiziert und abgeglichen werden. Vor allem die Windrichtung ist wichtig – weht der Wind aus westlicher Richtung, können in Sindlingen keine Gerüche aus dem Industriepark ankommen.

Jeden Tag sind Mohamed Amhamdi und seine Kollegen in Sindlingen und Kelsterbach unterwegs, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht. Infraserv Höchst gibt dafür einen mittleren fünfstelligen Betrag aus. Warum? „Zweifellos gehen von den Entsorgungseinrichtungen im Westen des Standortes Emissionen aus, die in Sindlingen zu Geruchsbelästigungen führen“, sagt Infraserv-Geschäftsführer Joachim Kreysing. „Wir sind seit Jahren dabei, diese Emissionen zu reduzieren, und haben mehrere Millionen Euro in die verschiedenen Maßnahmen investiert.“ So wurden in den vergangenen Jahren die Klärschlammsilos eingehaust, eine neue Abluftreinigungsanlage gebaut und die Abluftführung der Luft aus den Hallen der Klärschlammverbrennungsanlage geändert. „Das mit den Behörden abgestimmte Messprogramm soll Aufschluss darüber geben, ob die Maßnahmen erfolgreich sind“, sagt Kreysing.

Guido Schmitt, Leiter Umweltschutz von Infraserv Höchst, wertet die Olfasense-Ergebnisse gemeinsam mit Anke Reining, Leiterin des Geruchsmessprogramms, aus. „Im Vergleich zum Beginn des Messprogramms sind die Werte deutlich zurückgegangen“, erklärt Schmitt. Anfangs lagen die Jahresmittelwerte in einem Bereich von knapp 15 Prozent, das heißt bei etwa jeder siebten Messung wurden Gerüche registriert. Inzwischen pendeln sich die Werte, die unter www.ihr-nachbar.de eingesehen werden können, bei drei bis fünf Prozent ein. Das ist eine deutliche Verbesserung, für die betroffenen Anwohner aber noch kein Idealzustand. „Gerade bei Schönwetterlagen, wenn sich die Anwohner im Freien aufhalten und die Fenster offen haben, weht der Wind häufig aus östlicher Richtung. Wenn es dann zu Geruchsemissionen kommt, ist das für die Betroffenen ärgerlich“, weiß Anke Reining.

Dann gehen mitunter auch Beschwerden am Bürgertelefon des Industrieparks ein, die allesamt registriert und abgearbeitet werden. In der Regel fahren Mitarbeiter von Infraserv Höchst in die Nachbarschaft des Industrieparks und überprüfen die Situation, gleichzeitig wird bei den Entsorgungsanlagen nach möglichen Geruchsquellen geforscht. „Jeder Hinweis ist wertvoll. Wir versuchen in jedem Fall, die Ursache von Geruchsemissionen ausfindig zu machen“, versichert Schmitt. Wobei Infraserv Höchst immer deutlich macht: Einen vollkommen geruchsfreien Betrieb der Entsorgungsanlagen kann es nicht geben! Das betont auch Joachim Kreysing: „Wo Abwässer oder Klärschlamm gehandhabt werden, sind Gerüche nie hundertprozentig auszuschließen. Aber wir werden weiterhin alles in unserer Macht stehende tun, um die Belastung für die Anwohner zu reduzieren.“ Infraserv

 

Mohamed Amhamdi ist einer der Geruchsmesser. Fotos: Sittig

Mohamed Amhamdi ist einer der Geruchsmesser. Fotos: Sittig

 

 Mit der Nase unterwegs

Am Montag, 8. Mai, können sich interessierte Bürger einem Geruchsrundgang anschließen. Treffpunkt ist um 17 Uhr an Tor West des Industrieparks Höchst. Von dort aus geht es zunächst auf das Gelände, wo Experten von Infraserv Höchst und der Firma Olfasense das Messprogramm erläutern. Anschließend können sich die Teilnehmer von einem Olfasense-Prüfer zeigen lassen, wie die Messungen ablaufen. Und natürlich stehen die Infraserv-Vertreter den interessierten Bürgern auch Rede und Antwort.

Anmeldungen sind bis 5. Mai per E-Mail an kommunikation@infraserv.com möglich.

Kein Kaffee, kein Parfum

Messung Strenge Vorgaben für die Tester

Die 1996 gegründete Olfasense GmbH mit Sitz in Kiel hat sich neben dem Bau und Vertrieb von Messgeräten für Geruch auf olfaktorische Untersuchungen spezialisiert. Das Unternehmen beschäftigt 20 feste Mitarbeiter und bundesweit rund 65 Prüfer. Sie sind bundesweit im Auftrag von Kommunen, Behörden und Anlagenbetreibern im Einsatz. Grundlage der Untersuchungen sind etablierte, europaweit geltende Verfahren. Demnach kann die Geruchshäufigkeit im Jahr auf der Grundlage von 104 Messungen ermittelt werden. „Zur Steigerung der Messgenauigkeit führen wir in Sindlingen und Kelsterbach im Auftrag von Infraserv Höchst an 365 Tagen im Jahr Messungen durch, also viel häufiger, als es notwendig wäre“ erläutert Bettina Mannebeck, Geschäftsführerin der Olfasense GmbH.

Die Olfasense-Prüfer sind ausnahmslos nebenberuflich tätig. Oft sind es Studenten wie Mohamed Amhamdi, der im Gallus wohnt und an der TU Darmstadt studiert. Bevor er für Olfasense „schnuppern“ durfte, musste er sich einem Test unterziehen: es galt an drei verschiedenen Tagen, einen standardisierten Stoff in unterschiedlichen Konzentrationen zu „erriechen“. „Wir suchen keine Supernasen, also keine besonders geruchsempfindlichen Personen, sondern Menschen mit einem normal ausgeprägten Geruchssinn“, so Mannebeck. Nur so könne der subjektive Eindruck von Geruchswahrnehmungen objektiviert werde. Zwei Mal pro Jahr müssen die Prüfer zum Test, damit sichergestellt werden kann, dass sich der Geruchssinn nicht verändert hat. Zudem gelten strenge Regeln für Mohamed Amhamdi und seine Kollegen. Kaffee, Zigaretten, stark gewürzte Speisen und duftende Kosmetika sind 30 Minuten vor Beginn der Messungen verboten – das könnte die Ergebnisse verfälschen. infraserv