Trocken feiern

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Ranzenbrunnen Ein Rohr ist kaputt, deshalb fließt hier seit langem kein Wasser mehr

Im Entenbrunnen plätschert Wasser. In den Brunnen auf der Fressgass, vor der Alten Oper, auf dem Römerberg ebenso. Im Justiziabrunnen soll während der Kaiserkrönungen sogar Wein geflossen sein. Rund 150 Brunnen stehen in der Stadt, und alle sind längst wieder eingeschaltet worden – nur der Sindlinger Ranzenbrunnen nicht. Warum?

Weil ein Rohr kaputt ist. Seit etwa anderthalb Jahren schon. Stadtbezirksvorsteher Dieter Frank meldete das dem zuständigen Kulturamt und bat darum, den symbolträchtigen Brunnen möglichst rasch reparieren zu lassen. Immerhin feierte Sindlingen 2016 seine 1225-jährige urkundliche Ersterwähnung. Da sollte das Wasserspiel nicht fehlen, denn der Brunenn ist Resultat großen Bürgerengagements und Anlass wie Namensgeber des größten Stadtteilfestes.

Ursprünglich, etwa seit 1880, stand er in der hinteren Ranzengasse. Der Brunnen bestand aus einem Holzstock in einem Sandsteinmantel. Er reichte 7,5 Meter in die Tiefe. Anwohner holten dort ihr Trinkwasser. Der Brunnen hatte einen schlechten Abfluss, so dass in der Umgebung stagnierendes Schmutzwasser den Boden belastete. Dennoch bewertete der damalige Kreis-Wundarzt Dr. Grandhomme das Wasser als „klar, mit reichlich weißkörnigem Bodensatz“, weiß Dieter Frank, der auch Vorsitzender des Sindlinger Heimat- und Geschichtsvereins ist.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Brunnen abgebaut und nach Höchst gebracht. Dort lagerte er unbeachtet, aber nicht vergessen. Der Zusammenschluss „Freunde von Alt Sindlingen“ bemühte sich in den 1970-er Jahren darum, den Brunnen zurück zu holen. Gleichzeitig sammelten sie Geld, etwa beim „Schmalzebrote-Essen“ während der Herbstkerb 1975, um die Wiedererrichtung zu finanzieren. 1976 feierten die Freunde zum ersten Mal ein „Brunnenfest“, wenn auch ohne Brunnen. Ende der 70-er Jahre schließlich kam der Brunnen zurück und wurde nicht am Ende der Sackgasse, sondern etwas weiter vorne auf dem heutigen Ranzenbrunnenplatz installiert. Selbstverständlich floss Wasser aus seinem Ausguss.

1980 feierte Sindlingen ein erstes, kleines Ranzenbrunnenfest mit zwei, drei Vereinsständen rund um den Brunnen. Zwischenzeitlich ist aus diesen bescheidenen Anfängen das größte Stadtteilfest geworden. Jeweils am ersten Samstag im September zieht sich die Festmeile vom Brunnen durch die Huthmacherstraße, auch auf dem Mainufer wird gefeiert. Zur Eröffnung versammeln sich Vereine und Polit-Prominenz traditionell auf dem Brunnenplatz. Dieter Frank hatte sich darum bemüht, dass die nötige Reparatur rechtzeitig zur 1225-Jahrfeier 2016 erfolgt. Vergeblich. Im Oktober 2016 erfuhr er vom Kulturamt, dass es sich um eine aufwendige Reparatur handle. Die Sache sei „am Laufen“. Eine erneute Anfrage im Februar 2017 ergab eine ähnliche Antwort: Die Vorbereitungen dauerten etwas länger, es gebe noch keine konkreten Pläne. Aktuell warte das Amt auf die Kostenschätzung des Hochbauamts, berichtet das Höchster Kreisblatt. Vom Umfang der Arbeiten hänge ab, ob die Reparatur noch in diesem Jahr ausgeführt werden könne.

„Brunnen sind ein Ort des Zusammenkommens und ein Signal für den Frühling”, sagte Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig, als sie im April am Marshall-Brunnen in der Innenstadt die Saison eröffnete. Wenn die Sindlinger beim Ranzenbrunnenfest zusammen kommen, werden Wein und Wasser sicher reichlich fließen. Nur der Brunnen, der bleibt trocken, wenn er nicht repariert wird. In dem Fall, schwant dem CDU-Ortsbeirat Albrecht Fribolin, wird der Vereinsringsvorsitzende Andreas Rühmkorf bei der Eröffnung des Ranzenbrunnenfest seine Begrüßungsworte an die Politprominenz des Frankfurter Westens auch diesmal mit den Worten beginnen müssen „Und wieder stehe ich vor einem leider trockenen Brunnen!“

Solche Wasserspiele sind derzeit nicht möglich. Der Ranzenbrunnen ist kaputt. Archivbild: Michael Sittig

Solche Wasserspiele sind derzeit nicht möglich. Der Ranzenbrunnen ist kaputt. Archivbild: Michael Sittig