Der possierliche Sindlinger darf nicht sterben

Der possierliche Sindlinger darf nicht sterben

Kappensitzung in St. DionySIus Besucher starten Raketen für „Grzimeks Enkel“ und weitere lustige Büttenredner

Ein Tierfreund schoss den Vogel ab bei der Kappensitzung der katholischen Gemeinde St. Dionysius. Alexander Furtwängler kam als „Enkel vom Grzimek“ auf die Bühne des Gemeindezentrums und stellte im Stil der in den 50er und 60er Jahren beliebten Fernsehsendung Bernhard Grzimeks keinen „Platz für Tiere“, sondern einen „Platz für Narren“ vor.

Er widmete sich dem durch Einkreuzungen von Okriftelern, Höchstern und, im schlimmsten Fall, Zeilsheimern! vom Aussterben bedrohten Sindlinger. Die kostümiertenBesucher riefen Ui und Au und lachten sich schier schippelig, als Furtwängler die Lebensumstände des possierlichen und von Hause aus zurückhaltenden Sindlingers schilderte, stets im Gegensatz zu den Artgenossen aus Zeilsheim, die forsch wirken, „ich möchte meinen geradezu aufdringlich“, denn die Nachbarn „wagen sich wie Wildschweine an unsere Vorgärten heran, um dort nach Regenwürmern und Engerlingen zu suchen.“ Der Sindlinger ernähre sich gesund von Leber- und Blutwürstchen, „macht aber auch vor Schweinemett nicht halt. Er ist ein Fleischfresser“, führte Grzimeks Enkel aus.

Einmal im Jahr, an einem Mittwoch, genießt er eingelegten Fisch mit Äpfeln und Zwiebeln. Durch den folgenden Kohlendioxidausstoß trägt er zur Klimakatastrophe bei, „deshalb haben wir keine weißen Weihnachten mehr“, sagte Alexander Furtwängler. Das Sindlinger Männchen sei ohnedies ein Phänomen, denn es könne zwar wochenlang ohne Nahrung auskommen, nicht aber ohne Äppler, Gerstensaft und andere alkoholhaltige Erfrischungsgetränke, „sonst verderrt er der“. Wie es der gebürtige Sindlinger, der in Kelkheim lebt, schaffte, dabei durchgängig ernst dreinzuschauen, bleibt sein Geheimnis. Als er zum Schluss noch auf sein neues Buch „Sindlingen darf nicht sterben“ hinwies, standen die Zuschauer auf, klatschtten und spendeten zweimal die „Rakete“ für besonders gelungene Beiträge.

Davon gab es noch reichlich an diesem höchst vergnüglichen Abend. Monika Dörr aus Zeilsheim bewies, dass auch die Nachbarn etwas drauf haben. Beredt schilderte sie die Leiden des alternden Frauenkörpers: „Was straff war, ist jetzt wabbelweich, wie abgekochtes Suppefleisch.“ Protokoller Max Ilg ging die Ereignisse des vergangenen Jahres durch und reichte dabei eine Spendendose für die von Finanzamt und Gema gebeutelten, verarmten Vereine herum.

Die beiden „Tratschweiber“ Monika Schuhmann und Manuela Teske witzelten wie stets über Bekannte aus dem Ort und verschonten auch ihre Ehemänner nicht. So gesehen, war Gemeindereferentin Claudia Lamargese gut dran, denn „Ich suche einen Mann“ hieß ihr amüsanter Vortrag. Viele Lacher ernteten auch Traudlinde, Sonja und Leif Peters für ihr familiäres „Trigespräch“. Das I-Tüpfelchen dabei waren die trockenen Kommentare, die der junge Mann mit weitgehend unbewegtem Gesicht von sich gab.

Conny Ehret und Susanne Scharmann buchten in Bademänteln als „Sindlinger im Wellness-Hotel“ unter anderem eine Kneip(p)-Kur: „Vom Renato übers Loch in die Cassa und zum Schluss ein Slivovitz“. Albrecht Fribolin sprach über „Die Ballettstunde“, und das aus gutem Grund. Das Männerballett „Die Schneeflöckchen“, zu dem Fribolin gehört, trat zum 30. und letzten Mal in der bekannten Zusammensetzung auf. Diesmal war sogar das „Flöckchen der ersten Stunde“; Michael Hedtler, wieder dabei. Doch die Herren sind in die Jahre gekommen. „Auch wenn sie noch aussehn wie brünstige Hirsche, mer hört die Gelenke bis zum Dalles knirsche“, reimte Fribo und beichtete, dass die Ansprüche nicht mehr so hoch sind: „Die Trainerinnen sind zufrieden, wenn sich zu guter Letzt bei dem Chaos niemand verletzt.“

Der gewohnt grandiose Auftritt des Balletts bildete den krönenden Abschluss, war aber natürlich nicht die einzige Tanzeinlage. Das Tanzmariechen des Sindlinger Karnevalvereins, Jana Schröder, glänzte mit seinem Solo. „Die Tanzraketen“ gefielen mit einer musikalischen Sportschau, für die sich die Kinder wie später die „Flöckchen“ mehrfach umzogen. „Mamas United“ zeigten eine schwungvolle „Reise um die Welt“. Die „Brezelbube“ Michael Ickstadt und Clemens Weißenberger aus Sossenheim sangen „Zur Fassenacht in Sindlingen“ auf die Melodie vom „Blauen Bock“ und über den Äbbelwoi. Eine Hymne auf den Geruch des Handkäses steuerten Peter Teske und Wolfgang Gerhards bei: „Komm, hauch mich an, mein Schatz, ich riech den Handkäs so gern“. Die beiden Mitglieder des Männerchors Germania standen im musikalischen Wettstreit mit sieben Sängerinnen des Frauenchors, die elegisch-sehnsuchtsvoll seufzten: „Du bist so weit weg von mir.“ Die Männer dagegen freuten sich: „Ich bin so weit weg von Dir“. Bloß: Wer kauft jetzt das Bier? hn

Die Tanzraketen.

Die Tanzraketen.

Ein Likörchen fürs Frauenchörchen: Die Germania-Connection. Fotos: Mika Henrich

Ein Likörchen fürs Frauenchörchen: Die Germania-Connection. Fotos: Mika Henrich

Die Schneeflöckchen mit ihren Trainerinnen.

Die Schneeflöckchen mit ihren Trainerinnen.

Die Brezelbuben.

Die Brezelbuben.

Protokoller Max Ilg (oben).

Protokoller Max Ilg (oben).

Wolfgang Gerhards (links) und Peter Teske.

Wolfgang Gerhards (links) und Peter Teske.

Alexander Furtwängler

Alexander Furtwängler

United Mamas

United Mamas

Leif, Sonja und Trautlinde Peters

Leif, Sonja und Trautlinde Peters

Gar lustig ist die Fassenacht

Organisiert hat die katholische Kappensitzung Wolfgang Schuhmann. Unterstützt wurde er von Harald Fischer und Michael Sittig an der Technik sowie Max Reinhard und Leif Peters, die die nötigen Umbauten auf der Bühne besorgten.

Harald Fischer, Albrecht Fribolin, Michael Hedtler, Jürgen Peters, .. Schmoll, Wolfgang Schuhmann, Michael Sittig und Peter Teske alias „Schneeflöckchen“ wird es in dieser Zusammensetzung nicht mehr geben. „Sie brauchen eine Verjüngungskur“, sagte Norbert Schulze: „Interessierte mit und ohne Bauch sind willkommen. Neue Männer braucht der Tanz.“

Durchs mehr als fünfstündige Programm führten Bärbel Gerhards und Norbert Schulze. Sie übten mit den Gästen das Pfläumchenritual, die Rakete und ließen sie zur Melodie von „Jäger aus Kurpfalz“ singen: „Helau, Helau, gar lustig ist die Fassenacht in Sindlingen am Main, in Sindlingen am Main.“