Rezi*Babbel: Tausendundeinmal Stoltze – Die schönsten Texte

Mundart

Tausendundeinmal Stoltze – Die schönsten Texte

„Rezi*Babbel“: Mario Gesiarz tritt zum 1001. Mal auf

Mit freundlichen Grüßen – Ihne Ihrn Mario Gesiarz. Ihne Ihrn? Ja, die Pflege der Mundart ist dem Sindlinger ein Anliegen. „Schade, dass sie in Frankfurt nicht mehr so lebendig ist“, findet der gelernte Buchhändler, der seit den 90-er Jahren mit mundartlichen Texten auftritt. Als „Rezi*Babbel“ ist er längst über den Stadtteil hinaus bekannt. In diesem Jahr wird er seinen 1001. Auftritt haben.
Das hätte er nicht gedacht, als ihn die Höchster Arbeiterwohlfahrt Ende der 80-er Jahre um einen Beitrag zum Seniorenkaffee bat. Ob er nicht einen Text von Friedrich Stoltze vortragen könne? Gesagt, getan. Das fand viel Anklang. Gesiarz, der bei der Postgewerkschaft arbeitete, beschäftigte sich in den folgenden Jahren immer mehr mit dem Menschen Friedrich Stoltze. „Er war ein wunderbarer politischer Satiriker“, sagt der heute 57-Jährige: „Von 1860 bis zu seinem Tod 1891 machte er die Wochenzeitschrift Frankfurter Latern. Er war ein geradliniger, humanistischer, aufrechter Mensch.“ Gesiarz bewundert an Stoltze, wie er gegen Zensur, Kleinstaaterei, Antisemitismus, Sozialismusgesetze und andere Strömungen seiner Zeit kämpfte. Und er bewundert sein handwerkliches Geschick: „Mit das Beste, was ich kenne. Stoltze war ein phantastischer Lyriker“.
Seit den 90-er Jahren ist er zudem ein fester Teil von Gesiarz‘ Leben. Der gebürtige Unterliederbacher kaufte 1984 mit seiner Frau Inge das Haus der Familie Tratt in der Johann-Sittig-Straße. Zu der Zeit war er noch als Eishockey-Erstligaschiedsrichter aktiv und fast jedes Wochenende auf Achse. Als 1985 Sohn Viktor zur Welt kam, stellte er bald darauf die Hockeytasche in den Keller und rührte sie nicht mehr an. „Ich wollte miterleben, wie mein Sohn groß wird“, sagt er. Den gewonnenen Freiraum füllte zunächst der Sindlinger Karnevalverein. Gesiarz wurde Mitglied. Er schrieb Büttenreden, die auch in Sammlungen veröffentlicht wurden, und führte elf Jahre lang als Elferpräsident durch die Sitzungen. Seit 1996 ist er zudem als Mundartrezitator unterwegs. Anfangs trat er in einem Räumchen in der Kuppel des Kaiserdoms auf. Die „Mundart auf dem Kaiserdom“ fand später (während der Sanierung) in der Paulskirche und danach in einem Keller des Römers statt. Heute ist die Veranstaltung mehrmals im Jahr in Sachsenhausens ältestem Fachwerkhaus in der „Schellgass 8“ (Haus der Freunde Frankfurts) zu erleben. Mit Hut und grüner Jacke steht Mario Gesiarz dann da und trägt vor, was ihm gerade passend erscheint. Etwa 700 Mundarttexte hat er im Repertoire, etwa die Hälfte von Friedrich Stoltze, die übrigen von Adolf Stoltze, Karl Ettlinger, Paul Quilling, Georg-Wilhelm Pfeiffer sowie eigene Stücke.
Noch immer ist auch Sohn Viktor mit von der Partie. Der Physikstudent begleitete seinen Vater schon als Junge auf dem Akkordeon. Heute spielt er Swing und Klezmer. 1998 kam Mundartdichter und Liedermacher Rainer Weisbecker dazu, es entstand das Programm „Stoltze meets the Blues“, eine Mischung von Mundart-Blues und Stoltze-Texten. Seit einigen Jahren gehört die Kunsthistorikerin Silke Wustmann als viertes Mitglied zum Team. Gesiarz und Wustmann machen gemeinsam Stadtführungen, zunächst zu Leben und Werk von Stoltze in der Frankfurter Innenstadt, dann, seit fünf Jahren, als Gudula und Bären-Schorsch durch Alt-Höchst. „Das hat schon Kultstatus“, sagt Gesiarz. Zuletzt fanden sich 300 Teilnehmer dazu ein. Auch in diesem Jahr stehen zwischen April und Oktober sieben Kostümführen an, die erste am 22. April (11 Uhr, Schlossplatz).
Gesiarz‘ Soloprogramm steht in diesem Jahr unter dem Titel „Tausendundeinmal Stoltze“. Es enthält die aus seiner Sicht schönsten Texte des Mundartdichters. Neu entwickelt hat er ein Satire-Programm. Kommentare zu Börse, Streik oder Lebensmittelskandalen, ein Aufruf zur Wahl: Mit Augenzwinkern und Humor hat Stoltze schon vor über hundert Jahren die rechten Worte gefunden. Ein weiteres neues Programm hat am 21. Juni, 19.30 Uhr, im Pfarrgarten am Höchster Schloss im Rahmen des Schlossfests Premiere: „Wie de Vadder so de Sohn“. Es ist Friedrich Stoltzes Sohn Adolf gewidmet, der in diesem Jahr seinen 170. Geburstag hätte. Wichtigste Kritikerin und Beraterin ist Mario Gesiarz‘ Frau Inge. So ist „Rezi*Babbel“ Beschäftigung für die ganze Familie. Neben den öffentlichen Auftritten wird Mario Gesiarz auch häufig für Familien-, Vereins- oder Gemeindefeiern gebucht. Da er die Rezitation als Nebenberuf, aber eigentlich gefühlt als leidenschaftliches Hobby betreibt, kann er sich daneben so manchen Benefiz-Auftritt leisten.
Alle Termine finden sich im Internet unter www.rezi-babbel.de . Wer sich in den Verteiler für die elektronische Post aufnehmen lässt, bekommt Termine und Neuigkeiten in einem „Schreibebrief“ mitgeteilt. Der endet „Mit freundlichen Grüßen – Ihne Ihrn Mario Gesiarz.“ hn