Villa unter den Linden – Die Rosen brauchten noch ein bisschen
Sommerliches Gartenfest unter alten Bäumen
Es war ein perfekter Tag für ein Gartenfest. Kinder, Erwachsene, Ponys, Pferde und Hunde tummelten sich auf den Wegen des Meister-Parks. Etliche Besucher spazierten direkt vom „Bembelsingen“ beim Gesangverein Germania zum Rosenfest der „Villa unter den Linden“. Auf der Terrasse der Orangerie, dort, wo die frühere Besitzerin Elisabeth von Meister gerne ihren Tee eingenommen hat, spielten Karl-Heinz Edelmann (89 Jahre) und Karl Hohmann (91) Unterhaltungsmusik. Die Gäste wurden vom Team des alkohol- und drogenfreien Cafés mit Kaffee und Kuchen, Waffeln und Würstchen verwöhnt. Mädchen ließen sich in der „Zaubergrotte“, dem Hügel im Park, von Praktikantinnen der Therapieeinrichtung mit Hilfe von Schminke in kleine Prinzessinnen verwandeln. Eine Hüpfburg, Kutschfahrten mit Stephanie und Ralf Rößler und Ponyreiten beim Reiterverein Sindlingen waren ebenso wie die Märchenstunde im Spiegelsaal der Villa weitere Attraktionen für die Kleinen.
Die Erwachsenen hörten dem Fanfarenzug „Frankfurter Herolde“ zu, betrachteten historische Fotos oder schlossen sich einer Parkführung mit Dieter David Seuthe, dem Psychologen der Einrichtung, an. Geschichten aus erster Hand steuerte Robert von Bennigsen, Urenkel Herbert von Meisters, bei. Als Kind und Jugendlicher besuchte er in den 1960- und -70-er Jahren regelmäßig Tante und Oma von Meister, die in der Wohnung über dem Reitstall wohnten. „Auf den steinernen Löwen am Aufgang zur Orangerie haben wir Reiterspiele gemacht und dort hinten haben wir Tennis gespielt“, sagt er und zeigt auf den Platz vor der Brüstung zum Main. An das historische Duftrosenbeet vor der Terrasse allerdings kann er sich nicht erinnern. Wie auch – 1905 oder 1906 angelegt, ist es schon auf Fotos von 1930 nicht mehr vorhanden. „Der Standort ist wahrscheinlich ungünstig. Vom Main ziehen kalte Winde her, jeden Winter erfrieren uns einige Pflanzen“, bedauert Seuthe. Dass die Anlage überhaupt rekonstruiert werden konnte, ist seinen Recherchen und dem Rosenhof von Christian Schultheis in Bad Nauheim zu verdanken. Der Rosenzüchter, dessen Urgroßvater Heinrich wahrscheinlich das ursprüngliche Beet angelegt hatte, spendete alle Pflanzen, um es erneut zu erschaffen. Allerdings musste er seine Teilnahme am Rosenfest wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen. Auch die erhofften Düfte blieben aus. Die Rosen trugen nur Knospen, keine Blüten. Sie brauchten noch ein wenig Sonne und Wärme.
Die Besucher ließen sich davon die Freude am schönen Nachmittag im Schatten der alten Bäume nicht nehmen. Als „Dank an die Sindlinger“ war das Fest gedacht, weil sie die Fachklinik für drogenabhängige Menschen als Teil des Ortes angenommen haben. Umgekehrt dankte mancher Besucher Dieter David Seuthe für die Gelegenheit, einen Blick in die Villa zu werfen oder Näheres zur Geschichte der Familie von Meister und den Besuch des jungen Goethe zu erfahren. Das Rosenfest erinnert unter anderem an den 238. Jahrestag der Feier, bei der Johann Wolfgang sein liebeswundes Herz im Park der Villa trösten wollte. hn