Der hübsche Kerl fiel ihr gleich auf

Goldene Hochzeit

Der hübsche Kerl fiel ihr gleich auf

Waltraud und Norbert Pickel sind seit 50 Jahren verheiratet

Sie gingen beide auf die Meister-Schule. Aber in den 50-er Jahren, im ABC-Schützen-Alter, hatten weder Norbert Pickel noch Waltraud Fleckenstein Augen für das andere Geschlecht. Das änderte sich erst in den frühen 60-ern und mündete in eine Hochzeit: Am 21. September 1963 heirateten die beiden in Sindlingen. Den 50. Hochzeitstag verbrachten sie nun am Bodensee.
Doch zurück zu den Anfängen. 1962 war der Junge aus dem Milchgeschäft Pickel (Alt-Sindlingen) wie die meisten seiner Jahrgangskameraden Kerweborsch. Das Mädchen aus der Edenkobener Straße durfte mit 17 Jahren endlich auch mal von zuhause weg und zum Kerwetanz in den Frankfurter Hof gehen. „Ich hatte meine zwei Jahre jüngere Schwester im Schlepptau“, erzählt Waltraud Pickel. Da sie aber immer in einer ganzen Clique junger Leute unterwegs war, fiel das nicht weiter ins Gewicht.
Erst recht nicht, als Kerweborsch und Kerwegäste miteinander feierten. „Er ist mir gleich aufgefallen. Ein hübscher Kerl“, lächelt Waltraud Pickel. Norbert Pickel, gerade 20 Jahre alt geworden, fühlte sich seinerseits zu der jungen Frau hingezogen. Sie tanzten miteinander, und „dann sind wir zusammen gegangen“, berichten sie. Aus der stürmischen Jugendliebe wurde innerhalb eines Jahres ein Bund fürs Leben. „Wir mussten heiraten, ein Kind war unterwegs“, erzählt Waltraud Pickel: „Aber das wollten wir ohnehin. Wir hätten sonst nur noch ein wenig gewartet. Wir waren ja noch so jung“.
Um heiraten zu dürfen, brauchte sie die amtlich beglaubigte Erlaubnis der Eltern, und er für einen Tag eine Volljährigkeitserklärung: „Wir haben am 20. standesamtlich geheiratet und am 21. kirchlich. Ich bin aber erst am 21. 21 und damit volljährig geworden“, erklärt Norbert Pickel. Immerhin war seine Braut gut vorbereitet. Wie es damals Brauch war, hatte sie schon lange jeden Pfennig aufgehoben, um die Brautschuhe mit den kleinen Münzen zu bezahlen. „Da mussten wir ganz schön schleppen, die waren schwer“, schmunzelt sie.
Etliche Schwierigkeiten meisterten die beiden. Da es keine Wohnungen gab, bezogen sie anfangs ein Zimmer in Norbert Pickels Elternhaus. Erst 1964 konnten sie in eine erste eigene, kleine Wohnung in der Bahnstraße und später in den Krümmling umziehen. Das Geld war immer knapp. „Als Schriftsetzer hatte ich anfangs einen Stundenlohn von 2,05 Mark“, sagt Norbert Pickel. Deshalb ging seine Frau, die eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hatte, bald nach der Geburt von Tochter Claudia wieder arbeiten. Zunächst bei Hertie, später bei der Bahn und schließlich bei einer Sindlinger Firma war sie bis 2002 berufstätig. Norbert Pickel verbrachte den größten Teil seiner Berufsjahre in der Druckerei der MKW; eine Augenerkrankung zwang ihn vorzeitig zum Aufhören.
Langweilig wird den beiden dennoch nicht. Zum einen pflegen sie einen großen Garten, zum andern sind sie stark eingebunden in Sindlingen. Norbert Pickel trat schon 1960 dem Gesangverein Germania bei. „Mein Vater nahm mich mit“, sagt er. Bis 1974 sang er aktiv, dann machte dem eine Stimmbandentzündung ein Ende. Dafür spielte er nun Indiaka bei den Radfahrern. In beiden Vereinen ist Norbert Pickel nach wie vor Mitglied, zusätzlich gehört er der aktiven Jahrgangskameradschaft 1942/43 an. Waltraud Pickel ist in ihrem Jahrgang (1944/45) ebenfalls äußerst engagiert. „Schon zu unserem 18. Geburtstag habe ich die erste Versammlung einberufen“, erzählt sie. In jungen Jahren spielte sie Akkordeon und war im Schwimmverein. Als der Gesangverein Germania 1977 einen Frauenchor gründete, war sie sofort dabei – und wurde prompt zur Vorsitzenden gewählt. Das blieb sie zwölf Jahre lang, arbeitete weitere vier als zweite Vorsitzende und seither als Schriftführerin im Vorstand mit. „Ich war schon immer ein Vereinsmensch“, sagt sie. Und eine Freundin der Fastnacht. Mit ihrem Bütten-Partner Manfred Huthmacher tourte sie als Fastnachtsrednerin durch die Säle der Umgebung.
Mit ihrem großen Freundeskreis fühlen sie sich auch heute noch eng verbunden und gut eingebunden in Sindlingen. „Hier bin ich verwurzelt. Hier bin ich daheim“, sagt Norbert Pickel. Trotzdem wollten die beiden das Ehejubiläum nicht groß feiern, sondern verreisen. Die Glückwünsche haben die Gratulanten deshalb nachgereicht. hn

Seit 50 Jahren verheiratet: Waltraud und Norbert Pickel. Foto: Michael Sittig

Seit 50 Jahren verheiratet: Waltraud und Norbert Pickel. Foto: Michael Sittig