Die ersten Schüler lernten in Baracken

Ludwig-Weber-Schule

Die ersten Schüler lernten in Baracken

Vor 40 Jahren wurde die Grundschule Sindlingen-Nord eingeweiht

Große Pläne, frühe Wasserschäden und eine lebhafte Geschichte kennzeichnen die Ludwig-Weber-Schule am Paul-Kirchhof-Platz. Sie feiert ihr 40-jähriges Bestehen am Pfingstsamstag (18. Mai) mit einem Schulfest unter dem Motto „Gemeinsam – Hand in Hand“.

Lesen und Schreiben lernten Kinder in Sindlingen-Nord auch schon vor 1973. Die 1911 eingeweihte Meister-Schule in Sindlingen-Süd errichtete 1964 eine Zweigstelle für Erst- und Zweitklässler am Paul-Kirchhof-Platz. So sollte vermieden werden, dass die Sechs- und Siebenjährigen aus den neuen, großen Wohnsiedlungen, die nach dem Krieg zwischen den beiden Bahnstrecken entstanden waren, den weiten Weg entlang der stark befahrenen Straßen zurücklegen mussten. Es waren Aufschwungjahre. Sindlingen war von knapp 5000 Einwohnern 1939 auf fast 13000 Einwohner 1964 gewachsen. Das preisgekrönte Sindlinger Bürgerhaus entstand. Zigtausende kamen täglich zur Arbeit in die Farbwerke. So viele Kinder wurden geboren, dass sich die Bezeichnung „Babyboom“ für die späten 50-er und frühen 60-er Jahre etablierte.
Diese Kinder füllten erst die Kindergärten und drängten dann in die Schulen. Am Paul-Kirchhof-Platz ließ die Stadt Frankfurt Pavillons aufstellen, in denen ab 1964 Erst- und Zweitklässler unterrichtet wurden. 1967 erhielt die Dependance unter Rektor Martin ihre Selbständigkeit, so dass nun auch die dritten und vierten Grundschulklassen in den „Baracken“, wie sie genannt wurden, bleiben konnten.
Die Stadt plante Großes für Sindlingen. Die provisorische Grundschule Nord sollte nicht nur ein richtiges Schulgebäude bekommen, sondern den ersten Bauabschnitt eines ganzen Schulzentrums bilden. „Wir möchten, dass alle Kinder aus Sindlingen und Zeilsheim bis zu ihrem 16. Lebensjahr möglichst nahe an ihrer Wohnung ihren Unterricht bekommen“, wurde der damalige Oberschulrat Kober in der Zeitung zitiert. Deshalb sollten der Grundschule eine Hauptschule, eine Realschule und ein Mittelstufengymnasium folgen. Nur die Oberstufe sollte in Zukunft nach Höchst in das geplante Schulzentrum pendeln, das Mitte der 70-er Jahre als „Bikuz“ den Betrieb aufnahm.
Auch pädagogisch war die neue Grundschule vorne dran. Sie führte die Fünf-Tage-Woche ein. Das Experiment bewährte sich. Die Kinder kamen nicht, wie befürchtet, aus dem Lernrhythmus, sondern frisch und erholt aus dem zweitägigen Wochenende, wurde in der Zeitung berichtet. Mit dem Umzug in den Neubau im Frühjahr 1973 begann zudem der Schulversuch „Früheinschulung Fünfjähriger“, heute als Eingangsstufe etabliert. Mit Beginn des Schuljahrs 1973/74 sollten die ersten Fünfjährigen aufgenommen werden. Doch wie auch heute so oft wäre das beinahe an der langatmigen Bürokratie gescheitert. Denn kurz vor Schuljahresbeginn stand noch immer die Genehmigung für die Eingangsstufe seitens des hessischen Kultusministeriums aus. Eltern gingen auf die Barrikaden: Sie hatten ihre Kinder aus den Kindergärten abgemeldet und hingen jetzt in der Luft. Nach massiven Interventionen kam die Genehmigung im letzten Augenblick. 67 Fünfjährige bildeten die ersten vier Eingangsgruppen.
1973 herrschte aber auch massiver Lehrermangel. Deshalb wurden nur zwei statt drei vierte Klassen gebildet, mit 37 und 38 Schülern. Insgesamt besuchten damals 356 Schüler die Grundschule Sindlingen-Nord.
Der Neubau selbst war, wie Bürgerhaus und Bikuz, eine Orgie in Beton. Dank der neuartigen Skelettbauweise war es möglich, verschiebbare Wände einzubauen. Dadurch sollten Raumgrößen mit wenigen Handgriffen den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden können. „Wie im Hilton“, äußerten bewundernd Besucher der offiziellen Einweihungsfeier am 21. September 1973. Teppichboden im Foyer, große Fenster und bunte Plastik-Wände galten damals als schick und modern. Über Heizungskosten oder Probleme mit Flachdächern machte man sich keine Gedanken. Dabei gab es schon 1985 erste Wasserschäden. Just am Tag, bevor die Grundschule auf den Namen „Ludwig-Weber-Schule“ getauft wurde, flutete starker Regen mehrere Schulräume.
Als die geburtenstarken Jahrgänge durch waren, sank die Schülerzahl allmählich. Schon 1977 unterschritt sie die 300-er Marke und erreichte in den 1980-er Jahren ihre Tiefstände mit etwa 160. Dieser Rückgang wurde zum Anlass genommen, die Pläne für das Schulzentrum zu streichen – trotz Elternprotesten und Unterschriftensammlungen. Heute liegt die Schülerzahl durchschnittlich bei knapp 200 Schülern. Während das Bikuz zwischenzeitlich einem Neubau gewichen ist, sieht die Ludwig-Weber-Schule noch weitgehend so aus wie am Tag der Einweihung. Aber das ist eine andere Geschichte. hn