Sie weiß Rat in allen Lebenslagen

Auszeichnung

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Landesehrenbrief für Sozialbezirksvorsteherin Gisela Lünzer

Es gibt viele Menschen, die nicht klarkommen – mit Formularen, amtlichen Briefen, dem Leben, mit allem. Ihnen hilft Sozialbezirksvorsteherin Gisela Lünzer. Dafür bekam sie nun den Ehrenbrief des Landes Hessen.
„Ich habe acht sehr engagierte Sozialpflegerinnen, sie sind eine tolle Unterstützung“, gibt sie die Anerkennung weiter. Gemeinsam kümmern sich die Frauen um etwa 80 Sindlinger, die Grundsicherung bekommen. Außerdem sind sie Ansprechpartner für alle, die mit amtlichen Schreiben oder behördlichen Formularen nicht zurecht kommen oder Rat und Hilfe suchen. „Wir sind Mittler zwischen Bürgern und Ämtern“, beschreibt die kleine, zurückhaltend wirkende Frau einen Aspekt des Ehrenamts.
Dazu gekommen ist sie eher zufällig. Als gelernte Bürokauffrau arbeitete Gisela Lünzer lange Zeit in der Versicherungsagentur ihres Mannes Claus mit. Verwaltung und Bürokratie sind für sie keine böhmischen Dörfer. Das sprach sich herum, nachdem die beiden 1970 nach Sindlingen gezogen waren. „Ich wurde öfter von Nachbarn und Bekannten angesprochen“, erzählt Gisela Lünzer, „ob ich mal drübergucken oder gleich beim Ausfüllen helfen könnte“. Das tat sie gern. 1981 wurde sie über den Ortsbeirat als Sozialpflegerin vorgeschlagen, 1990 zur Sozialbezirksvorsteherin ernannt. Sie kümmert sich damit offiziell ehrenamtlich um alle, die Unterstützung brauchen. Das können vergleichsweise einfache Dinge sein wie das Ausfüllen eines Antrags auf Wohngeld. Manchmal wird es aber auch heikel. Wie im Fall einer Hartz-IV-Empfängerin, die lange Zeit im Krankenhaus war, darüber Fristen für Anträge versäumte, kein Geld mehr hatte, Rechnungen nicht begleichen konnte, den Strom abgestellt bekam und der die Zwangsräumung drohte. Dann hängt sich Gisela Lünzer ans Telefon, verhandelt mit Vermietern und Versorgern, sucht Möglichkeiten für Zuschüsse. „Es ist uns immer ein Anliegen, Obdachlosigkeit zu verhindern“, sagt sie.
Oft sind auch Fingerspitzengefühl und Beharrlichkeit gefragt, wenn sich Menschen gar nicht helfen lassen wollen. „Ein sicheres Zeichen, dass etwas nicht stimmt, ist, wenn jemand die Rolläden nicht mehr hochzieht“, sagt sie. Wenn jemand aus Angst vor Rechnungen, Mahnungen oder amtlichen Briefen den Briefkasten nicht mehr leert. Wenn er nicht mehr rausgeht, die Wohnung vermüllt. „Wenn wir, meist durch Nachbarn, von einem solchen Fall erfahren, gehen wir hin und bieten Hilfe an“, sagt Gisela Lünzer. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Sozialrathaus in Höchst, dem Frankfurter Kinder- und Jugendschutz, dem Job-Center Höchst, den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege und der Freien Jugendhilfe kennt sie die richtigen Ansprechpartner. Wollen müssen die Menschen aber selbst. „Manchmal wollen Senioren aus Scham keinen Antrag auf Grundsicherung stellen, obwohl sie ihnen zusteht“, erlebt Gisela Lünzer häufig. Andere verweigern sich der angebotenen Unterstützung total. Die Sozialbezirksvorsteherin lässt dann nicht locker. Immer wieder geht sie hin, bietet Hilfe an, versucht, mit den isolierten Menschen warm zu werden, Vertrauen zu gewinnen. Umso schöner, wenn sie Erfolg hat. Wenn die hilflose alte Dame, die partout nicht ins Pflegeheim wollte, dann doch zustimmt; wenn die Sozialpflegerinnen bei Besuchen an der neuen Adresse sehen, dass es ihr soviel besser geht. Oder wenn durch ihre Vermittlung eine alleinerziehende Mutter eine Weihnachtsbeihilfe bekommt oder eine Seniorin eine zusätzliche Stiftsrente. Dann ist Gisela Lünzer froh: „Es macht Spaß, den Leuten zu helfen und so etwas zu erreichen. Die Rückmeldungen bestätigen die Arbeit, die wir leisten“, erklärt sie ihre Motivation, immer weiterzumachen. Besonders viel Freude bereitet ihr das „Tannenbäumchen“ auf Rädern: Maximal fünf kleine, geschmückte Weihnachtsbäume und einen Teller Gebäck darf sie im Dezember Menschen bringen, die sich sonst kein Weihnachten leisten können. Die Freude, die sie ihnen damit bereitet, ist ihr Dank genug.
Daneben engagiert sich Gisela Lünzer als ehrenamtliche Richterin, arbeitet im Regionalrat mit, ist seit 40 Jahren im Turnverein aktiv und geht gerne mit ihrem Mann Walken. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Kinder und ist im Stadtteil engagiert. Dafür erhielt Gisela Lünzer bereits 2006 die Römerplakette, 2012 die Ranzenbrunnenauszeichnung. Den Ehrenbrief überreichte ihr im Römer Stadträtin Erika Pfreundschuh. hn

Den Ehrenbrief des Landes überreichte Stadträtin Erika Pfreundschuh (links) Sindlingens Sozialbezirksvorsteherin Gisela Lünzer im Römer.

Den Ehrenbrief des Landes überreichte Stadträtin Erika Pfreundschuh (links) Sindlingens Sozialbezirksvorsteherin Gisela Lünzer im Römer.