Sport tut gut – auch bei Krebs

Turnverein

Sport tut gut – auch bei Krebs

Aktionstag: Zehn Teilnehmer überwinden ihre Scheu

Einer war nur gekommen um abzusagen. Der Krebspatient erhält zur Zeit eine Chemotherapie, und die verursacht Übelkeit und Schwindel. „Setzen Sie sich doch erst mal an die Seite und sehen Sie zu“, schlugen die Übungsleiter vor. Und das war gut so. Denn spätestens, als es darum ging, 80-Gramm-Bälle durch die Halle zu werfen, war der Mann nicht mehr auf seinem Stuhl zu halten.
Zusammen mit neun weiteren Krebspatienten erlebte er, wie sich durch moderate sportliche Betätigung Wohlgefühl und Lebensqualität verbessern – allen Sorgen und Schmerzen zum Trotz, die die Krankheit mit sich bringt. Der Turnverein Sindlingen beteiligte sich mit dem Aktionstag an der landesweiten Aktionswoche „Sport für Menschen mit Krebs“ der Stiftung Leben mit Krebs. Die ärztliche Leitung hatte Dr. Renate Ahlers-Zimmermann. Sie hatte im Vorfeld Patienten persönlich angesprochen und weitere ärztliche Kollegen vor Ort um Mitarbeit gebeten. Plakate in den lokalen Praxen und in einigen Geschäften wiesen zusätzlich auf das Angebot hin. Etwa zwanzig Patienten zeigten Interesse. Es bestanden jedoch auf Seiten der Betroffenen große Ängste, ihre Erkrankung öffentlich zu machen, indem sie sich mit anderen – ihnen bisher unbekannten Menschen – zum gemeinsamen Sport treffen sollten, berichtet die Medizinerin.
Letztlich machte sich nur die Hälfte der Angemeldeten auf den Weg in die Sporthalle. Dort fanden sie Helfer, leckeres Obst und Softdrinks vor. Da es ausgiebig regnete, wurden alle Laufdisziplinen und auch die Wurfübungen in die Halle verlegt. Anfangs waren alle Teilnehmer sehr schüchtern und zurückhaltend, aber durch die lockere Atmosphäre und die persönliche Ansprache wurde das kleine Grüppchen zunehmend munterer. Beim Sechs-Minuten-Lauf fanden sich jeweils Pärchen zusammen, die die Runden um die Halle für einen Plausch nutzten und sich dadurch auch besser kennen lernten. Viel Spaß hatten alle bei den Gleichgewichtsübungen, und die Helfer wunderten sich, wie fit doch einzelne Teilnehmer waren.
Zusätzlich zu den „Pflichtübungen“ hatte der Turnverein für die „Kür“ drei Disziplinen aus seinem Programm ausgesucht, die besonders stark frequentiert werden: Pilates, Zumba und Badminton. Renate Geisler, die im Verein auch Rückenschule und „Bauch, Beine, Po“ anbietet, zeigte allen Teilnehmern die Grundlagen für eine Verbesserung der Rumpfstabilität. Anschließend lockten laute Hip-Hop-Klänge von Melanie Lünzer zum Zumba, eigentlich kein typischer Sport für Menschen über 70, aber alle versuchten mitzumachen und man sah nur fröhliche Gesichter. Das Badminton-Training kam dann etwas zu kurz, eigentlich waren nach dem Zumba auch alle ziemlich ausgepowert.
Anschließend saßen alle noch zusammen und redeten aufgeregt über ihre neuen Erfahrungen. Fast jeder wollte unbedingt in Zukunft etwas Sportliches unternehmen. „Am nächsten Samstag bin ich wieder beim Zumba“, ließ eine junge Teilnehmerin wissen. Ein älterer Herr erschien tatsächlich in der nächsten Woche im „Badminton für Jedermann“ und spielte über eine Stunde lang ohne Unterbrechung. Es gab viele fröhliche Gesichter zu sehen, und die Helfer waren ebenfalls begeistert. „Warum machen wir so was nicht öfter?“, wollte Übungsleiterin Kirsten Schiffer wissen. Ja, warum eigentlich nicht? raz