„Die sin net ganz dicht“
Meister-Park
„Die sin net ganz dicht“
Benefiz-Nachmittag für die Orangerie – Loblied auf die Mundart
„Gestatten: Fabian Sebastian Hampelmann“: Mit eleganter Geste lupft der Herr im roten Frack den Zylinder. Er ist befreundet mit Friedrich Stoltze, der zwei Tage zuvor seinen 198. Geburtstag feierte, und an dessen Stelle nach Sindlingen gekommen – „Was ja jetzt aach zu Frankfort gehöre due det“. Mundart-Rezitator Mario Gesiarz alias Hampelmann gibt Gedichte des Frankfurter Dichters, Schriftstellers und Journalisten zum besten, allen voran die Frankfurter Hymne, die Stoltze 1880 verfasst hat: „Es is kaa Stadt uff der weite Welt, die so merr wie mei Frankfort gefällt, un es will merr net in mein Kopp enei“ – „wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“ beenden die etwa 80 Zuhörer das Loblied auf die Vaterstadt im Chor.
So nimmt ein vergnüglicher Nachmittag an einem besonderen Ort seinen Lauf. In der Orangerie, dem Wintergarten der Familie von Meister im Meister-Park, sitzen die Gäste dicht gedrängt zwischen hohen Grünpflanzen und unter weißen Tüchern. Die Stoffsegel unter dem Glasdach verbergen die schmuddelige Plane, die oben drüber liegt. Die Plane war ein Behelf. „Die sin halt net ganz dicht“, sagt Fabian Sebastian Hampelmann und bittet die Zuhörer, ordentlich zu spenden. Das Dach der Orangerie ist undicht. „Da an den Wänden läuft das Wasser runter“, zeigt Heinz Rahn auf die gelblichen Schlieren: „Bei starkem Regen steht es auf dem Boden“, erklärt der Leiter des Bistros Orangerie. Die Sonne hat im Lauf der Zeit den Kitt zermürbt. Das Glasdach müsste neu gefugt werden und eine neue Regenrinne bekommen, denn die alte ist porös wie ein Sieb. Doch der Träger der Drogenentzugseinrichtung Fachklinik Villa unter den Linden, der Deutsche Orden, will für die Reparatur dieses Nebengebäudes nicht aufkommen.
Dabei spielt es im Konzept der Klinik eine besondere Rolle. Patienten bietet das Café und Bistro, in dem zwei Köche und ein Bäcker arbeiten, die Möglichkeit einer Arbeitstherapie. Sindlinger schätzen es fürs Mittagessen und leckere Kuchen. So ist die Orangerie ein Ort, an dem Bürger und Patienten miteinander in Kontakt kommen. „Damit sollen Berührungsängste abgebaut werden“, erklärt Rahn. Aber wenn das Dach nicht repariert wird, ist über kurz oder lang Schluss damit. „Deshalb wollen wir versuchen, die nötigen schätzungsweise 5000 bis 7000 Euro selbst zusammen zu bringen“, sagt der Leiter.
Mario Gesiarz ist da gerne behilflich. Zusammen mit seinem Sohn Viktor am Knopf-Akkordeon richtete er als Mundart-Theater Rezi*Babbel den Benefiz-Nachmittag aus. In schönstem Frankfurter Dialekt zitierte der Sindlinger Gedichte von Stoltze, dessen Sohn Adolf und Karl Ettlinger. Er sang ein Loblied auf die Mundart, die so viel „weicher, wärmer und farbiger“ ist als Hochdeutsch mit ihrer gold-gele Butter, quitte-gelen Hemden, mit Differenzierungen wie blütenweiß und käseweiß, gritzegrau, blitzeblau, glockehell und windelweich. Schier unerschöpflich ist die Fundgrube an Schimpf- und Koseworten, die der Duden nicht kennt. Dazu gab Gesiarz Anekdoten zum besten wie die vom Frankfurter Dom, der zwar so heißt, aber keiner ist, später weihnachtliche Texte und als Zugabe ein Theaterstück für fünf Personen, die er alle selbst darstellte. Die Zuhörer genossen diesen Nachmittag zum Schmunzeln. Bleibt zu hoffen, dass sie das Spendenschwein ordentlich fütterten und sich auch für die übrige Summe Spender finden, damit der schöne Wintergarten weiterhin genutzt werden kann. hn