Germania Frauen – Chorleiter mit Heckantrieb
Germania Frauen
Chorleiter mit Heckantrieb
Michael H. Kuhn verleiht dem Frauenchor neuen Schwung
Da haben sich die Frauen eine rechte Frohnatur angelacht. Michael H. Kuhn steht keine Sekunde still. In der Übungsstunde des Germania-Frauenchors spielt er mit einer Hand Klavier, mit der anderen dirigiert er, oder klopft den Takt auf dem Holz des Instruments, schnippt mit den Fingern, singt einen Halbton vor, schlägt dann mit beiden Händen fröhliche Akkorde an und begleitet die Sängerinnen durch das Spiritual „Ev’ry time I feel the spirit“. „Nutzen Sie das T zum Luftholen“, rät der Dirigent. „Und wenn Sie beide Beine auf den Boden stellen, dann hat Ihre Lunge Luft, das glauben Sie gar nicht“, zwinkert er einer Dame zu, die die Beine überschlagen hatte.
Mal lässt er die Alt-Stimmen vier Zeilen singen, dann die Mittelstimmen, zum Schluss die Soprane. „Wenn Sie merken, es geht hoch, dann machen Sie den Mund richtig auf“, empfiehlt er und geht gleich weiter im Text. Die Sängerinnen verhaspeln sich. „Oh, habe ich Sie überfahren? Tut mir leid. Ich habe halt Heckantrieb“, schmunzelt er.
In der Tat – ein musikalischer Tausendsassa führt nun den Frauenchor der Germania. Der 43-Jährige stammt aus Mannheim, wohnt in Mainz und lebt für die Musik. Er hat Schulmusik und Musiktheorie studiert, dazu Französisch, Italienisch und Pädagogik. Er ist Diplommusiklehrer und Schulleiter an einem Gymnasium in Sprendlingen/Rheinhessen und arbeitet seit 1984 mit Männer- und Frauenchören. „Es ist schön, mit Laien zu arbeiten“, findet er: „Wenn man sich Ziele steckt und sie erreicht und Musik macht, die direkt ins Herz geht“, dann ist ihm das eine große Freude. Mit seinem Jazz-Ensemble ist er zudem Landespreisträger in Rheinland-Pfalz, mit dem Gesangsensemble „Vocalis“ Bundespreisträger, mit den „Tugendbolden“ Teil der Mainzer Fastnacht. Die Mitglieder des Mainzer Carneval Vereins absolvieren 40 bis 50 Auftritte in der Kampagne. Kuhn spielt dabei Klavier, sein Sohn Schlagzeug.
Sechs Chöre leitet er schon, die Germania ist sein siebter. „Für gute Chöre ist immer Platz“, sagt er. Deshalb bewarb er sich um die Leitung, als er erfuhr, dass die Frauen jemanden suchen. Gekannt hat er den Chor schon vorher. „Ich wußte, dass hier ordentlich gearbeitet worden ist“, zollt er seiner Vorgängerin Brigitte Schlaud Respekt. Darauf baut er nun auf. Die Frauen werden neue Stücke lernen, ihr Repertoire leicht verändern. „Ich will versuchen, den Chor musikalisch ausdrucksvoller zu machen und ihn lockerer zu kriegen“, hat sich Michael H. Kuhn vorgenommen.
Daran arbeiten jetzt alle gemeinsam. „Nächster Schritt: Lassen Sie die langen Töne wachsen, anschwellen“, fordert er und macht es vor. Seine Stimme wird stärker und stärker, erfüllt den Raum, verklingt. Die Sängerinnen tun es ihm nach, scheinen selbst ein wenig erstaunt zu sein über die Klangfülle, die sie hervorbringen. Der Dirigent ist zufrieden. „Das ist doch gar nicht schlecht. Es gibt noch Hoffnung“, schmunzelt er. Alle lachen. Überhaupt wird viel gelacht in den Singstunden. Die Atmosphäre ist entspannt, dennoch sind alle bei der Sache. „Ja, ja, es wird schon“, nickt der Dirigent.
„Es macht unheimlich viel Spaß. Außerdem sind zehn, elf neue Sängerinnen zu uns gestoßen“, freut sich Vorsitzende Traudlinde Peters. Alle Generationen sind nun in dem etwa 50 Mitglieder starken Ensemble vertreten, in einem Fall sogar aus der gleichen Familie: Mit Edith Schlereth (77 Jahre), Christiane Giussani (47) und Lisa Giussani (17 Jahre) singen erstmals Mutter, Tochter und Enkelin gleichzeitig im Frauenchor. hn