Entschleunigung im Takt der Schritte
Entschleunigung im Takt der Schritte
Lahnwanderweg Sindlinger Wandergruppe genießt eine Fülle von Eindrücken auf dem zweiten Teil der Tour
Von Werner von Swietochowski
Einen Kilometer gehen, fast 1500 Schritte in knapp 15 Minuten. Im Auto huschen Eindrücke vorbei und ein Kilometer schrumpft zusammen. Beim Wandern wirkt eine Fülle von Impressionen auf die Sinne.
Überschwänglich blühen die Apfelbäume auf den Streuobstwiesen; es wird viel Apfelwein geben. An den Feldrändern leuchten die weißen Blüten der Schlehen, übergroße Löwenzahnblüten überziehen den Wegesrand und die freien Flächen. Butterblumen setzen zarte Akzente in Gelb. Das frische Grün der Buchen ist eine belebende Kulisse des Frühlings, die die fünf Wanderer die ganze Zeit begleitet.
Die Gruppe ist im Laufe der Jahre geschrumpft. Ingrid, Anne, Ursula, Thomas und Werner sind mit von der Partie, Michael sorgt für die Logistik und bringt das Gepäck zum nächsten Etappenort. Er und Ingrid haben die Tour auch vorbereitet.
Es ist Ende April. Längst müsste sich der Kuckuck gemeldet haben. Er lässt nicht lange auf sich warten: Kuckuck, Kuckkuck ruft’s aus dem Wald … Die ersten Schwalben sausen über den Himmel, noch relativ niedrig, denn die mäßig warme Luft hält die Insekten in Bodennähe.
Der Blick schweift bis zum Großen Feldberg
Ein Specht zetert im tiefen Wald und wenig später hackt er auf einen Stamm ein. Einzelne Falter tänzeln von Blüte zu Blüte. Weit schweift der Blick auf der ausgedehnten Hochfläche des früheren Truppenübungsplatzes hinter Wetzlar, wo schon die preußischen Kanoniere ihre Geschütze in Stellung brachten. Das da hinten, sicher bald 50 Kilometer Luftlinie entfernt, der Buckel mit dem Turm und den Masten, das kann nur der Große Feldberg sein.
Ein steifer und kühler Wind stemmt sich von Westen den Wanderern entgegen. Da unten, wegen der das Ufer begleitenden Baumreihen nur zu vermuten: der Lauf des Flusses. Man muss genau hinschauen, um ihn zu erkennen. Auf dem Weg von Lollar, wo die Tour begann, ging es über Krofdorf-Gleiberg, Wetzlar, Braunfels, Weilburg Aumenau und Limburg bis nach Balduinstein. Nicht nur die Natur, die zwischen Weilburg-Kubach und Aumenau wegen vieler gefällter, aber noch nicht weggeräumter Bäume in einem engen Tal den Wanderern stark zu schaffen machte, auch die Burgen und alten Orte und Städte zogen die Gruppe in ihren Bann.
Fachwerk, eine Feste und der Wetzlarer Dom
Die hoch oben in Gleiberg über dem Tal thronende Burg und die anderthalb Kilometer auch auf steiler Höhe gebaute Feste Vetzberg sind teilweise gleichzeitig zu sehen. Wetzlar punktet mit dem Dom, für dessen zweiten Turm es offenbar nicht gereicht hat, mit der alten Steinbrücke und romantischen Uferanlagen.
Im alten Bilderbuchstädtchen Braunsfeld ragt das Schloss hoch über dem Marktplatz auf, in Runkel beherrscht ein wuchtiger Turm die auf dem Felsen über der Lahn gebaute Burg. Limburg glänzt mit seinen zum großen Teil herausgeputzten alten Fachwerkhäusern mit den vielen Figuren und Zierschnitzereien, die Residenzstadt Weilburg mit dem gepflegten Schloss und seinen Gartenanlagen über dem Fluss.
Wenn man so im Schnitt mit Pausen dreieinhalb bis vier Kilometer in der Stunde zurücklegt, erlebt man im Einklang mit Natur und Kultur eine Entschleunigung gegenüber dem Alltagstempo. Im Kopf spielt sich nicht viel ab. Im Takt der Schritte wird es ruhig im Oberstübchen und man wird selbst zu einem Teil der umgebenden Natur. So werden 136 Kilometer zu einem Erlebnisband, das einen mit jedem Schritt bereichert. Es stimmt: Das Wandern ist (nicht nur) des Müllers Lust …
Facettenreich und gemütlich: Der Weg in Etappen
Facettenreich ist die Landschaft, die der Lahnwanderweg auf seinen rund 290 Kilometern von der Lahnquelle bis zur Mündung durchstreift. Im eigenen Wandertempo unterwegs bieten sich viele Möglichkeiten, die Seele baumeln zu lassen. Die einen mögen lieber die verwunschene Landschaft an der Quelle und im oberen Lahntal, die anderen die größere Weite der Auenlandschaften im mittleren; das wildromantische untere Lahntal, wo sich der Fluss im tief eingeschnittenen Tal entlangschlängelt, hat seine eigenen Fans. Auf dem Lahnwanderweg geht es mal am Fluss und oft etwas mehr auf den Höhen entlang. Die wenigen Klettersteigpassagen sind gut gesichert und die Etappen so gewählt, dass der Stress zurückbleibt. Und wer über Schauen und Genießen die Zeit vergessen hat, findet meist nicht weit entfernt einen Bahnhof, um ans Etappenziel zu gelangen. Facettenreich sind auch die Dörfer, Städte, Burgen und Schlösser am Lahnwanderweg. Für Unternehmungslustige eignet sich das Abendprogramm der Lahntal-Städte optimal.
Gesamtlänge: Lahnquelle – Niederlahnstein 290,0 km
1 Lahnquelle-Feudingen 13,1 km
2 Feudingen – Bad Laasphe 16,6 km
3 Bad Laasphe – Biedenkopf 17,6 km
4 Biedenkopf – Buchenau 12,6 m
5 Buchenau – Caldern 12,9 km
6 Caldern – Marburg 16,3 km
7 Marburg – Fronhausen 24,4 km
8 Fronhausen – Lollar 11,9 km
9 Lollar – Rodheim-Bieber 21,2 km
Zuweg Gießen: Gießen – Rodheim-Bieber 6,9 km
10 Rodheim-Bieber – Wetzlar 16,2 km
11 Wetzlar – Braunfels 13,0 km
12 Braunfels – Weilburg 18,0 km
13 Weilburg – Aumenau 18,9 km
14 Aumenau – Villmar 12,9 km
15 Villmar – Limburg 13,5 km
16 Limburg – Balduinstein 13,6 km
17 Balduinstein – Obernhof 18,7 km
18 Obernhof – Bad Ems 19,0 km
19 Bad Ems – Niederlahnstein 16,0 km