Wo den Letzte net die Hunde beiße
Wo den Letzte net die Hunde beiße
Förderverein Buchstütze Frankfurt liest ein Buch – Gerne auch in Mundart
„Eisebähnerblues“ hieß das erste Lied von Rainer Weisbecker in der gut besuchten Veranstaltung in der Stadtteilbibliothek im Rahmen der stadtweiten Aktion „Frankfurt liest ein Buch“. In diesem Lied besingt Weisbecker seinen Opa, „de Greife-Phillipp“, der wegen seiner kommunistischen Gesinnung 1935 zuerst ins Zuchthaus und dann bis 1945 nach Dachau kam. Die Familie lebte damals in Niederrad, wo auch ein Teil des Romans „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers spielt. Es war nicht die einzige Parallele zwischen dem Buch und der Familiengeschichte von Weisbecker.
Zunächst, nach kurzer Begrüßung, gab Buchstützen-Vorsitzender Mario Gesiarz eine kurze Inhaltszusammenfassung des Romans, der im April zwei Wochen lang in Frankfurt und Umgebung bei über 120 Veranstaltungen im Mittelpunkt stand. Dieser ist schnell erzählt: Sieben Häftlinge fliehen aus dem Konzentrationslager Westhofen (ein Synonym für das tatsächliche Lager Osthofen), nur einer von ihnen überlebt und kommt durch: Georg Heisler. Die anderen werden in Westhofen an Holzkreuze gefesselt und ermordet. Georg Heisler schlägt sich nach Frankfurt durch, Ziel ist hier seine Freundin Leni in Niederrad. Doch die hat inzwischen die Seiten gewechselt und so muss sich Georg, stets in Gefahr, entdeckt zu werden, nach einem anderen Ausweg umsehen. Dieser wird dann auch mit Hilfe mehrerer mutiger Menschen gefunden.
Nach dieser kurzen Einführung lasen Bibliotheksleiterin Annette Moschner sowie Eva-Maria Callender und Mario Gesiarz vom Förderverein Buchstütze der Stadtteilbücherei abwechselnd ausgesuchte Passagen aus dem Roman in der Hoffnung, dem zahlreichen Publikum „Lust zu machen, den Roman zu lesen“ (Gesiarz), sofern das nicht schon geschehen ist.
Danach kam Rainer Weisbecker. Gesiarz und Weisbecker kennen sich schon lange über die Mundart und treten auch gelegentlich gemeinsam auf (demnächst wieder am Freitag, 22. Juni, im Rahmen des Höchster Schlossfestes). Da beide eine widerständige Familiengeschichte haben, lag es nahe, den Bluesmusiker und Mundartdichter einzuladen. Zumal er eine durchaus passende Familienanekdote zu bieten hatte. So versteckte Weisbeckers Familie mehrere Tage einen geflohenen KZ-Häftling in Niederrad, bevor dieser mit einem Kohlendampfer ins sichere Ausland gebracht werden konnte.
Nicht ohne Humor und vor allem in Mundart schrieb Weisbecker diese Geschichte auf, die ihm eine Tante einst erzählte, und veröffentlichte sie in einem seiner Mundart-Bücher. Zum Abschluss hatte Weisbecker noch ein zweites Blueslied. Im „Dehaam-Boogie“ besingt er das, was für ihn Heimat bedeutet. Bei einer Fernsehaufzeichnung strich der Hessische Rundfunk jedoch die letzte Strophe, denn passend zum Abend heißt es darin: „Ich fühl mich dehaam, wo den Letzte net die Hunde beiße un wo die Leut‘ noch uffen Adolf sch…“. Bei uns durfte er das singen. Eine Woche später wurde die Veranstaltung gemeinsam mit dem Kulturforum in Zeilsheim wiederholt. Hier las auch die Vereinsvorsitzende Nathaly Simonis. Beide Veranstaltungen waren sehr gut besucht. rio