Bewegung gegen Demenz

Turnverein Sindlingen

Bewegung gegen Demenz

Spezielle Übungen sollen helfen, die Krankheit zu verlangsamen

Die Diagnose Demenz lässt einen Alptraum wahr werden. Zu wissen, dass man über kurz oder lang die Fähigkeit verlieren wird, selbstbestimmt zu leben; sich bei jeder kleinen Vergesslichkeit zu fragen: Fängt es an? Wird es schlimmer? Das Mitleid in den Augen anderer zu sehen und nicht zu wissen: Habe ich gerade etwas wiederholt, vielleicht zum x-ten Mal wiederholt, oder bedauern sie mich nur ganz allgemein? All das und auch die häufig mit der Krankeit einhergehende Neigung zur Aggressivität trägt dazu bei, dass Menschen mit Demenz in die Isolation abgleiten.
Dem tritt der TV Sindlingen mit einem neuen Angebot entgegen. In Kooperation mit Partnern, die im Netzwerk „Aktiv bis 100“ mitarbeiten, bietet er ab Donnerstag, 23. Mai, 11 Uhr, eine Bewegungsgruppe für Menschen mit Demenz in der Vereinssporthalle in der Mockstädter Strasse 12 an. Am Donnerstag, 16. Mai, ist bei einem Schnuppertraining Gelegenheit, das Angebot auszuprobieren.
Es ist die zweite Gruppe in Frankfurt und auch Bundesweit , die im Rahmen eines Modellversuchs etabliert wird. „Wir können die Demenz nicht stoppen, aber wir können ihren Verlauf verlangsamen“, sagt Projektleiterin Petra Regelin vom Deutschen Turnerbund. Eine Verbesserung um 30 bis 50 Prozent in Sachen Kraft, Balance, Bewegungssicherheit und Alltagsbewegungen wie Gehen, Treppe steigen, Aufstehen, Hinsetzen, Heben, sich waschen sei in einer Studie belegt. Das Risiko zu stürzen sinkt. Der Abbau kognitiver Leistungen scheint sich zu verlangsamen. Bewegung scheint dem Abbau der neuronalen Netzwerke entgegenzuwirken (Aufmerksamkeitsspanne, Kurzzeitgedächtnis, Lernfähigkeit), sagt Regelin. Besserer Schlaf, weniger depressive Verstimmungen, weniger Angst und Aggression seien ebenfalls mögliche positive Auswirkungen von Bewegung. Nicht zuletzt werden soziale und kommunikative Fähigkeiten trainiert, was dazu beitragen kann, Lebensfreude und Lebenslust zu erhalten.
Die Übungsleiterinnen Gabriele Nagel und Hiltrud Lippert-Braunschweig haben eine spezielle Schulung absolviert, um den Betroffenen durch ein gezieltes Training dabei zu helfen, möglichst lange möglichst viel Eigenständigkeit bewahren zu können. Parallel zur Bewegungsgruppe für Menschen mit Demenz wird für die betreuenden Angehörigen ein Fitnessprogramm angeboten. Außerdem steht dank der Kooperation mit dem VdK Sindlingen ein Fahrdienst bereit. Dessen zweiter Vorsitzender Helmut Dörnbach koordiniert es. Die Teilnahme ist dank der Anschubfinanzierung durchh das Sportam der Stadt Frankfurt für alle Teilnehmer im ersten halben Jahr kostenfrei.
Für den Turnverein ist das Angebot eine logische Konsequenz aus seinem Bestreben, Menschen jeden Alters zur Bewegung zu verhelfen. „Wir haben dank unserer Halle die räumlichen Möglichkeiten, wie haben die Übungsleiterinnen und wir machen mit unseren Sportgruppen für Hochbetagte gute Erfahrungen“, sagen Vorsitzender Michael Sittig und zweiter Vorsitzender Hans Brunnhöfer. Der Versuch, auch Menschen mit Demenz zu helfen, sei von daher eine logische Konsequenz. Doch wie kommt man an sie heran? Dabei kann Alexandra Ladach von der Caritas helfen. Durch ihre Hausbesuche im Frankfurter Westen weiß sie, wer in Frage kommt, und kann den Kontakt vermitteln. Teilnehmen können Menschen aus dem gesamten Frankfurter Westen und dem Main-Tanus-Kreis.
Information und Anmeldung bei Hans Brunnhöfer, TV Sindlingen, Telefon (06190) 23 03; Fahrdienst: Helmut Dörnbach, Telefon 36 41 88. hn

 

Etwas Anstengung muss sein

Bewegung ist generell gesund – nicht nur für die Figur, sondern auch fürs gesunde Gehirn. Sie fördert die Durchblutung, lässt neue Blutgefäße entstehen. Mit Bewegung kann man sich schneller, leichter und besser auf geistige Anforderungen einstellen, nötige geistige Fähigkeiten entwickeln, erklärt Petra Regelin, Projektleiterin des Demenzgruppenprojekts beim Deutschen Turnerbund. Bewegung scheint auch die Neubildung von Zellen im Lernzentrum (Hippocampus) auszulösen, respektive den Abbau von Synapsen im hohen Alter zu verlangsamen. Mit anderen Worten: Bewegung hält das Gehirn jung und senkt das Demenzrisiko um 30 bis 50 Prozent. „Etwas Anstrengung muss sein, damit Bewegung positive Auswirkungen auf das Gehirn hat. Bewegung in der Lebensmitte verheißt besseren Schutz im höchsten Alter“, erklärt Petra Regelin.