Kolumne Lebensfragen

Kolumne Lebensfragen

Was wird aus unseren Vereinen?
Lieber Herr Sacher,

mir fällt seit Jahren negativ auf, dass die Bereitschaft der Bürger, sich persönlich zu engagieren, stetig abnimmt. So war es noch vor mehr als zehn Jahren kein Problem für unseren Verein, 40 Helfer für das Ranzenbrunnenfest zu finden. Heutzutage ist alles „Bitten und Betteln“ meist vergebens, da die Angesprochenen Wichtigeres zu tun haben – oder es zumindest vorgeben. Mitgliederversammlungen haben sich inzwischen auf „Familientreffen“ reduziert und die Absicht, Ämter im Vorstand abzugeben, erweist sich schlichtweg als undurchführbar, da keine Nachfolger dafür bereit stehen. Bei den Angeboten des Vereins ist es umgekehrt. Es gibt Wartelisten bei der Schwimmausbildung, auf denen regelmäßig rund 50 Namen stehen.Sind wir schon in der, von Politikern propagierten, Dienstleistungsgesellschaft angekommen, in der man nach sich dem Motto „Geiz ist geil“ die Rosinen rauspickt und alles andere schlichtweg egal ist?
Ihr Helmut Trompeter

Lieber Herr Trompeter,

treffen sich drei Deutsche und gründen einen Verein. Dieser Spruch ist mir gleich eingefallen, als ich Ihre Frage gelesen habe. Und dann habe ich mal nachgedacht, in wie vielen Vereinen ich eigentlich Mitglied bin. Es sind drei. Und bei einem der Vereine stimmt der Spruch vom Anfang wirklich. Den habe ich mit einigen Freunden zur Studienzeit in Berlin gegründet, um eine Studierendenzeitung dauerhaft zu finanzieren. Trafen sich drei Studenten und gründeten einen Verein.
Mit meinen drei Vereinen liege ich ziemlich im Durchschnitt, wenn ich meinen Bekanntenkreis so ansehe. Aber ist das repräsentativ? Ich habe auf Ihre Frage hin mal nachgeforscht, wie es im deutschen Vereinswesen aussieht. Alle großen Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass wir Deutschen nach wie vor „Vereinsmeier“ sind. Es gibt heutzutage siebenmal mehr Vereine als noch vor 50 Jahren.
Doch haben Sie ja geschrieben, dass es nicht am Interesse mangelt, sondern an der Bereitschaft mitzugestalten. Wenn ich jetzt wieder an meine drei Vereine denke, dann muss ich zugeben, ich habe gerade in keinem ein Amt inne. Aber ich war mal einmal Präsident des Vereins, den ich mitgegründet habe. Bei den anderen beiden bin ich nur Nutznießer. Ich picke mir, so wie Sie es geschrieben haben, die Rosinen raus und engagiere mich nicht weiter.
Nun höre ich hier in Sindlingen öfter, dass es das Gefühl gibt, dass es früher mehr Engagement gab und dass es irgendwie den Bach runter geht mit den Sindlinger Vereinen. Ihre Beobachtung wird also von anderen geteilt und ist sicher auch richtig.
Doch glaube ich nicht, dass das etwas mit einer allgemeinen Entwicklung in unserer Gesellschaft zu tun hat. Die Studien, die ich vorhin schon erwähnt habe, sagen auch, dass noch nie so viele Deutsche ehrenamtlich engagiert waren wie heute. Es hat also, so doof das jetzt erst einmal klingen mag, eher etwas mit Sindlingen zu tun. Nun bin ich noch nicht lange genug hier, um zu verstehen, warum das im Moment so ist. Aber ich denke, dass es einfach eine Phase ist. So wie ich gerade in keinem meiner Vereine wirklich aktiv bin, so wie ich es aber mal war und auch wieder sein werde, so wird es sich in Sindlingen auch wieder entwickeln. Und zwar, weil es Menschen wie Sie gibt, die den Kampf gegen die Windmühlen führen und versuchen, weiter aktives Vereinsleben aufrecht zu halten, obwohl es so schwierig ist. Sie tun uns allen damit einen großen Dienst. Vielen Dank!

Ihr Konstantin Sacher
Vikar der evangelischen Gemeinde

 

Fragen?
Haben auch Sie eine Frage an Konstantin Sacher? Dann schicken Sie sie per E-Mail an vikarsacher@gmail.com oder schriftlich an die Postadresse der evangelischen Gemeinde, zu Händen Vikar Konstantin Sacher, Sindlinger Bahnstraße 44.