Literatur aus dem stillen Kämmerlein
Buchstütze
Literatur aus dem stillen Kämmerlein
Männer und Frauen lesen aus ihren Gedichten und Geschichten
Eine Konkurrenzveranstaltung zur Buchmesse? Nein, so hoch wollte die „Buchstütze“ ihre Lesung in der Stadtteilbücherei nicht hängen. Eher ging es bei dem Abend mit dem Titel „Meine Worte“ darum, Hobbyautoren aus dem stillen Kämmerlein zu holen, sie zu ermutigen vorzustellen, was sie zu Papier gebracht haben.
„Oft fehlt es an Möglichkeiten, solche Geschichten, Erzählungen und Gedichte einmal in einem kleinen Kreis auszuprobieren“, sagte Mario Gesiarz, Vorsitzender des Fördervereins Buchstütze für die Stadtteilbücherei. „Deshalb haben wir uns entschlossen, dafür einmal einen Abend zu reservieren.“ Mehr als 20 Interessenten fanden sich ein, nicht nur aus Sindlingen und Zeilsheim, sondern aus mehreren westlichen Vororten. Neun davon wollten vorlesen. Das taten sie an einem Tisch sitzend, das erwartungsvolle Publikum vis-a-vis. Zehn Minuten Zeit hatten die Autoren, die Reihenfolge wurde ausgelost.
Das Ergebnis war eine bunte Mischung aus Poesie und Prosa, Reisebericht und Fantasiegeschichte. Hubert Schmitt (53 Jahre) aus Unterliederbach, SPD-Ortsbeirat, liebt Lyrik. „Ich schreibe schon lange“, sagte er, anfangs Tagebücher, später wurden daraus Gedichte. Normalerweise liest er sie nur seiner Frau vor. Diesmal kamen auch Fremde in den Genuss der kleinen Stücke, die so unterschiedliche Themen wie Liebe, Figuren auf einem Brunnen, Sterne, Vertriebene oder Frankfurts Bankentürme haben. Jochen Franz, Herausgeber des „Zeilsheimer Anzeigers“, schilderte den mühevollen Weg zum Lac de Gérardmer in den Vogesen, Uta Wüstinger machte sich in Reimform Gedanken über Politik, Bildung und das Fernsehen. Als Norddeutsche widmete sie zudem ihrer Heimat Liebesgedichte: Wenn das Land so weit…
Unveröffentlichte Gedichte aus den 80-er Jahren stellte Susanne Esch vor. „Musste das sein?“ zum Beispiel entstand nach dem Film „The day after“, der damals die Menschen berührte. Richtig zum Schreiben kam sie aber erst 2007, und zwar mit Fortsetzungsgeschichten zu den Harry-Potter-Romanen. Zwischenzeitlich hat die Schwanheimerin schon drei eigene Romane im Titus-Verlag veröffentlicht (Solifera, Der Savant von Innis und Die Rebellin von Koron). Eher dem Genre der Kurzgeschichte zuzuordnen ist „Keine Zeit“ von Juliane Schätze aus Nied. Ein Kind stirbt, ein Vater macht sich deswegen Vorwürfe. Dem ergreifenden Stoff setzte Jörg Engelhardt einen Dialog an einer Theaterkasse entgegen. Das Gespräch zwischen einem Mann, der zwei Karten für ein Kammerspiel kaufen möchte, und dem Ticketverkäufer beginnt scheinbar normal und steigert sich ins Loriothaft-Groteske. Engelhardt hat bereits einen ganzen Dialog-Zyklus zu verschiedensten Kassensituationen verfasst. Daniel Halter, gebürtiger Elsässer und seit 1971 in Sindlingen zuhause, war mit Petrus auf Du und Du. Er adaptierte Erlebnisse im Jenseits aus dem Werk von Marcel Pagnol und schrieb sie nach seinen Vorstellungen um. „Ich schreibe seit einigen Jahren kurze Geschichten aus dem Alltag“, sagte Mario Gesiarz und präsentierte „Der Schrubberkrieg“ oder Hara-Kiri – etwas zum Schmunzeln. Lustig und gerne auch ein wenig derb schrieb Gerhard Labestin aus Nied die Bauernregeln neu. Etwa: Die Blätter werden immer bunter und weil Herbst ist, fallen sie runter. Oder: Bei Frost, ich muss es mal erwähnen, klappert der Bauer mit den Zähnen. Eine Fantasie zum Leben mit Kühen stellte zum Abschluss Inge Franz aus Sossenheim vor.
Allen Autoren dankte es das Publikum mit Applaus. Es gehört ja einiges an Mut dazu, eigene Werke öffentlich vorzutragen. Annette Moschner, Leiterin der Stadtteilbücherei, freute sich darüber, dass so viele Menschen schreiben. Das Experiment „Meine Worte“ jedenfalls ist gelungen, bilanzierte Mario Gesiarz. Deshalb soll es eine Fortsetzung geben. hn