Züchter überstehen schwere Zeiten
Züchter überstehen schwere Zeiten
Kleintierzuchtverein Nach herben Verlusten geht es im 110. Vereinsjahr wieder aufwärts
Vorsichtig spreizen Maria Kaulbert und Nano Latovic den Flügel des Susek-Huhns. Sacht pustet die Kassiererin des Kleintierzuchtvereins H202 auf die Federn. „Dann sieht man, ob es einen Befall mit kleinen Tieren gibt“, erklärt sie. Das ist bei dem jungen Huhn aber nicht der Fall.
Auch sonst macht es einen guten Eindruck. „Ein schönes Huhn“, lobt das Vorstandsmitglied den Züchter und setzt es wieder zu seinen Artgenossen ins Gehege.
Bei der Lokalschau am 21./22. Oktober hätte es sicher gute Aussichten auf eine Medaille. Doch daraus wird nichts. „Drei Monate braucht es noch“, sagt Nano Latovic. Seine Hühner sind zu jung, zu klein, nicht ausstellungsreif. Das liegt an einer Kette unglücklicher Ereignisse, die dem Verein 110 Jahre nach der Gründung schwer zusetzten.
Vergangenes Jahr holte ein Fuchs etliche Kaninchen und Hühner. Die restlichen Kaninchen starben an einer Krankheit. Kaum war die Gefahr durch den Fuchs gebannt, brach die Vogelgrippe aus. Zwar litt das Geflügel in Sindlingen nicht daran, aber die Haltung erfolgte unter erschwerten Bedingungen. „Bis ins Frühjahr blieb die Anlage geschlossen. Wir konnten nur durch Desinfektionsbäder herein und hinaus“, erzählt Schriftführerin Daniela Kaulbert. Wie überall mussten die Tiere in den Ställen bleiben. Der Handel kam zum Erliegen. Wer seine Tiere an den Fuchs verloren hatte, konnte keine neuen nachkaufen.
Als das Veterinäramt Entwarnung gab, war es zu spät. „Ende Mai fängt man keine Brut mehr an“, erklärt Maria Kaulbert. Sieben bis neun Monate brauchen kleine, neun bis elf Monate größere Hühner, um sich zu den Prachtexemplaren zu entwickeln, die Kleintierzuchtvereine traditionell im Herbst ausstellen und bewerten lassen. Nano Latovic wollte nicht so lange warten. Deshalb tummeln sich auf seiner Parzelle nun wieder etliche, wenn auch noch kleine, Hühner. Bei Maria Kaulbert dagegen stehen die Ställe leer. Sie wartet wie viele weitere Vereinsmitglieder auf den Beginn der neuen Zuchtsaison. So wird die Lokalschau am 21. und 22. Oktober dieses Mal recht mager ausfallen. „Schade“, finden die Züchter, denn sie begehen damit auch das 110-jährige Vereinsbestehen.
Allerdings wissen die heute 35 Mitglieder (darunter ein Jugendlicher und Ehrenmitglied Bruno Sinschek) nur wenig von ihren Vorgängern. Bei einem Brand gingen die meisten Unterlagen verloren. Überlebt haben Berichte von der 75-Jahrfeier 1992. Daraus geht hervor, dass die Halter von Hühnern und Kaninchen („Schwein des kleinen Mannes“) am 24. November 1907 in der Gastwirtschaft „Zur Krone“ aus Liebe zum Haustier, wirtschaftlichen und sozialen Zwecken einen Verein gründeten. Anfangs hielt jeder die Tiere hinter seinem Haus. Anfang der 50-er Jahre pachtete der Verein die frühere „Sandkaut“, ein Gelände im Feld Richtung Hattersheim, das damals noch weit von den ersten Wohnhäusern entfernt lag. Es wurde in Parzellen unterteilt und an die Mitglieder vergeben. 1967 richteten sie ihre erste Lokalschau aus.
„100 bis 150 Kaninchen hatte früher jeder hier in der Anlage“, erinnert sich Maria Kaulbert an Jahre, in denen fast rund um die Uhr jemand auf dem Farmgelände anzutreffen war. „Die Mitgliedschaft war sehr beständig. Die meisten hielten ihre Tiere bis ins hohe Alter und oft führte die nächste Generation die Zucht fort“, erzählt sie von den 1990-er Jahren.
Heute hat das nachgelassen. Der Verein befindet sich im Umbruch. „Wir hatten viel Kommen und Gehen in jüngerer Zeit“, berichtet Maria Kaulbert. Wenn ältere Züchter aufhören, folgt ihnen kein Familienmitglied nach. Häufig interessieren sich junge Familien für die Parzellen, allerdings tun sie sich mit der Tierhaltung schwer. „Es ist verständlich, dass es die Menschen ins Freie zieht und sie sich ein Stückchen Natur wünschen“, sagt Daniela Kaulbert. Aber die Farm ist keine Gartenanlage, stellt ihre Schwiegermutter klar: „Es geht um die Tiere. Jeder muss welche halten und ausstellen, und sie sollen für jeden sichtbar sein“, nennt sie die Voraussetzung für einen Pachtvertrag.
Das wiederum bedeutet Arbeit. Die Tiere müssen gefüttert, getränkt, gesäubert und geimpft werden. Manche, wie die schwarzen Brahma-Hühner von Zuchtwart Werner Schmid, brauchen besonders viel Pflege. „Wir verbringen viel Zeit hier in der Anlage“, berichtet seine Ehefrau Conny, die zwei Gänse hält. Neuzüchter halten das oft nicht durch und geben das zeitaufwendige Hobby nach ein, zwei Jahren auf.
Nicht so Andreas Müller (51). Er kam über eine Freundin zur Kleintierzucht. „Ich bin gerne mit den Tieren zusammen, habe Spaß daran“, sagt er. Auf Anraten seines Parzellennachbarn legte er sich Amrock- und Australops-Hühner zu, pflegeleichte „Anfängerhühner“. „Ich komme jeden Tag abends nach der Arbeit her. Die Tiere sind mir ans Herz gewachsen“, sagt er. hn