Das Ende der Straßenfastnacht in Sindlingen

Das Ende der Straßenfastnacht in Sindlingen

Rosenmontag Karnevalverein hat den Kinderumzug schweren Herzens abgesagt

Wer am Rosenmontag Straßenfastnacht feiern will, muss anderswo hingehen. Der Sindlinger Karnevalverein hat den traditionellen Kinderfastnachtszug abgesagt. Nicht nur die schwache Beteiligung ist der Grund dafür.

„Es tut uns unendlich leid, wir sind sehr traurig. Aber es funktioniert nicht mehr“, sagt Michael Streubel, Vorstandsvorsitzender des Sindlinger Karnevalvereins. Nur vier Gruppen hatten sich für den Zug angemeldet.

Das ist der traurige Negativ-Rekord einer Tendenz, die sich seit Jahren abzeichnet. Trotz vieler persönlicher Ansprachen durch Zugmarschall Michael Czich und weitere Vereinsmitglieder zeigten weder Sindlinger Vereine noch Schulen Interesse. Teilnehmer von außerhalb blieben schon in den vergangenen Jahren weitgehend aus. Aufrufe in der Zeitung brachten auch nichts. „Wenn es keiner will, muss man die Konsequenzen ziehen“, bedauert Michael Streubel: „Obwohl viel Herzblut dranhängt, stehen Aufwand und Kosten in keiner Relation“. Der Aufwand für das Spektakel ist hoch. Neben den vielen erforderlichen Genehmigungen müssen Straßen gesperrt, Busse umgeleitet, die entsprechenden Schilder geholt, aufgestellt und wieder abgeräumt werden. Allein 59 Halteverbotsschilder stellte der Verein im vergangenen Jahr auf, baute 18 Absperrschranken und drei Hinweistafeln auf und richtete zwei Umleitungen ein. 6490 Kilo bewegten die Helfer, die Arbeitsstunden sind ungezählt. Gleichzeitig steigen Auflagen und sinken Zuschüsse. „Früher reichte der Wagen des Roten Kreuzes. Letztes Jahr mussten wir erstmals einen Rettungswagen mit Sanitäter und Mannschaft stellen“, sagt Streubel. Was dieses Jahr eventuell an zusätzlichen Auflagen, etwa wegen der Sicherheit, gekommen wäre, ist unbekannt, denn sechs Wochen vor dem Termin lagen dem Verein noch keine Genehmigungen seitens der städtischen Ämter vor.

Nicht zuletzt hat die Stadt den Zuschuss um die Hälfte gekürzt. Dass es in den vergangenen Jahren auch immer wieder zu unschönen Szenen kam, weil Kinder und Jugendliche Gardemädchen bedrängten und auf der Jagd nach Bonbons rücksichtslos vorgingen, will der Vorsitzende gar nicht eigens erwähnen; allein die schwache Beteiligung in Verbindung mit den wirtschaftlichen und logistischen Aspekten habe zu der Entscheidung geführt. Der SKV bedauere das, „auch vor dem Hintergrund, dass die angemeldeten Gruppen sicher schon Vorbereitungen getroffen haben“, erklärt der Vorstand in einer Mitteilung. Im Übrigen sei der SKV nicht der einzige Verein, der die Straßenfastnacht aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen aufgeben müsse. Die Stadt Rüsselsheim etwa habe ihren Umzug für dieses Jahr aus ähnlichen Gründen abgesagt.

Nun werde überlegt, welche Möglichkeiten es gebe, 2019 eine andere Fastnachtsveranstaltung für Kinder auf die Beine zu stellen. hn

Stimmen zur Absage

Dieter Sänger, Ehrenvorsitzender: „Es hatten sich zu wenig Gruppen gemeldet und es gab auch Probleme am Straßenrand. Es ist schade darum, aber man muss die Realität wahrnehmen. Der Kinderumzug ist erst mal gestorben, und das ist zumindest jetzt das Aus für die Straßenfastnacht in Sindlingen. Man muss aufpassen, dass karnevalistisch nicht zu viel wegbricht.“

Gardebetreuerin Andrea Schröder: „Für die Garden ist die Absage okay, wir sind nicht böse darum. Wir laufen am Fastnachtssamstag in Hattersheim und am Sonntag in Hofheim mit. Für die Kinder ist es ganz schön, dass sie nun Zeit haben, sich am Montag einmal einen Zug als Zuschauer anzusehen.“

Peter Thalau, Sitzungspräsident: „Ich finde es gut. Ich habe mich auf dem Wagen permanent geärgert, wurde beworfen und beleidigt. In den letzten Jahren hatten wir sogar Polizeibegleitung. Das ist schlimm, der Grund für die Absage war aber ein anderer, nämlich die Kürzung der Zuschüsse.“

Sieghard Pawlik, SPD-Stadtverordneter, Sindlingen: „Außerordentlich bedauerlich. Der Zug hat hier eine Geschichte, war für die Kinder und die Zuschauer eine Freude und ein Erlebnis. Wir brauchen so etwas.“

Albrecht Fribolin, CDU-Ortsbeirat: „Schade, dass das Engagement des SKV von den Teilnehmern nicht belohnt wird. Niemand ist mehr bereit, die Kinder hinzuführen. Die Kindergärten können es nicht leisten, die Eltern wollen es nicht oder haben einfach keine Zeit. So liegt alles brach und der Kinderzug hat sich leider überlebt.“