Category: September

Wenn die Zeit das Schicksal formt

Literatur

Wenn die Zeit das Schicksal formt

Frankfurt verboten – Historischer Roman von Dieter David Seuthe

Was Menschen umtreibt, hat ihn schon immer interessiert. Dieter David Seuthe, Psychologe, Psychiater, Therapeut, kennt die Lebensgeschichten von ungezählten Menschen – solchen, mit denen er zu tun hat, und anderen, die sich in Büchern und Aufsätzen finden.
Alles zusammen fließt ein in sein erstes Buch. In „Frankfurt verboten“ schildert er, wie es einer jungen Pianistin mit jüdischen Wurzeln in der späten Weimarer Republik und unter der Nazi-Herrschaft ergeht. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Auch alle historischen Fakten stimmen, sagt Seuthe, damit seine Erzählung möglichst real wird. Allerdings hat er aus Rücksicht auf die Wünsche der Nachfahren jener Musikerin den Handlungsort nach Frankfurt verlegt.
Die Menschen, denen der Leser im Buch begegnet, sind ohnehin erfunden. Trotzdem haftet ihnen viel Wahres an, denn Seuthe hat in ihnen Teile realer Personen zusammengefügt. Beispielsweise gibt es eine Szene, in der eine junge Frau einen zudringlichen Mann ohrfeigt – So erging es einst seiner Mutter.
Was ihn antreibt, ist zum einen das Erzählen selbst. „Ich will Geschichten erzählen, die die Leute bewegen und anregen zum Mitdenken“, sagt er. Zum anderen ist es der Versuch zu verstehen. Wie war das für die Menschen, in einer solchen Zeit zu leben? Einerseits die Weimarer Republik, Jahre des Aufbruchs, der Vielfalt der Meinungen, des Streits darüber. Der Zusammenbruch, das Nazi-Regime, die Judenverfolgung. „Wie verändert man sich, wenn auf einmal alles kippt? Wenn Systeme Menschen zu Menschen zweiter Klasse erklären und Existenzen vernichten?“, fragt er sich. Wie entscheiden sich dann Menschen, jeder ganz persönlich? Hilft er, sieht er weg, macht er mit? Welche Faktoren zählen? Wie verkraften sie den Druck psychisch? „Das interessiert den Therapeuten“, sagt Seuthe, aber das interessiert auch ganze Generationen. Denn eine Weisheit aus der Bibel gilt auch in der Familientherapie: Die „Sünden des Vaters“, Traumata einer Generation, werden über drei, vier Generationen weitergegeben, bis es so etwas wie Erlösung, Befreiung von der Bitterkeit, gibt.
Das alles stellt Seuthe in zugespitzter Form in seinen Figuren dar. Bekannte, die das Buch vorab lasen, beschrieben es als bewegend und berührend, berichtet er. Es lasse einen nicht kalt. Ein jüdischer Bekannter, der selbst das KZ überlebt hat, sagte: Genau so war’s. Diese zunächst subtilen Veränderungen im zwischenmenschlichen Umgang miteinander. „Das will ich in Erinnerung halten“, sagt Seuthe, der viele Parallelen zu gegenwärtigen Entwicklungen sieht.
„Ich empfinde es als Privileg, so viel vom Leben anderer zu erfahren. Ich lerne aus jeder Geschichte etwas dazu“, sagt der 62-Jährige, der in Sindlingen als Klinikpsychologe in einer Einrichtung des Deutschen Ordens arbeitet. So trägt „Frankfurt verboten“ auch dazu bei, die Lebenserfahrungen aus den geteilten Geschichten zu erhalten. Sein Beruf ermöglicht es ihm, sich immer wieder neu auf andere einzulassen und ihnen zu helfen, ihre seelischen Wunden zu erkennen, zu lernen, damit zu leben. Vor allem Rußlanddeutsche seien häufig von seelischen Qualen betroffen wie einst die verfolgten Juden, weiß Seuthe. Noch bei ihren Kindern und Enkeln sei das spürbar. Umso wichtiger sei es, sich über sein Verhalten bewusst zu werden und zu verstehen, dass man über die Zeit auch wieder aus so etwas herauskomme. Dass es eine Erlösung gibt – wie in seinem Buch. So finden sich darin trotz allem Hoffnung und Zuversicht. „Das war mir wichtig“, sagt der Autor. Er wünscht sich, dass möglichst viele junge Menschen darin lesen und für sich selbst etwas mitnehmen. hn

Erste Lesung

Erste Lesung

Am Donnerstag, 26. September, stellt Dieter David Seuthe seinen Roman „Frankfurt verboten“ im Humperdinck-Saal des Hoch’schen Konservatoriums, Sonnemannstraße 16, vor. Die Premierenlesung beginnt um 19.30 Uhr. Mehrere junge Mitwirkende lassen die Lesung zu einem literarisch-musikalischen Ereignis werden. So übernimmt ein Pianist des Hoch’schen Konservatoriums den Klavierpart im Buch und die junge Schauspielerin Rebecca Ajnwojner die Rolle der Elise in der Lesung.