Politik macht der Industrie das Leben schwer

Industriepark

Politik macht der Industrie das Leben schwer

Geschäftsführung zieht Bilanz – Roland Mohr hat sich verabschiedet

Der Industriepark als Dauerbaustelle: Im Zeitraffer verschwinden rot markierte Gebäude, zahlreiche gelbe ploppen auf. Bei der Jahrespressekonferenz haben die Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Infraserv, Dr. Roland Mohr und Jürgen Vormann, zehn Jahre Entwicklung in vier Minuten Film packen lassen. „Ein höchst dynamisches Gebilde“, ein „lebendiger Organismus“ sei der Industriepark, sagte Vormann. Gebäude wie Firmen kommen und gehen.
Manchmal geht auch ein führender Kopf. Roland Mohr kündigte seinen Abschied zum Jahresende 2014 an. Der 49-Jährige will sich nach gut zehn Jahren in der Geschäftsführung anderweitig umtun – was und wo verriet er nicht. Nachfolger ist seit dem 1. Januar Dr. Joachim Kreysing.
Mohr war maßgeblich mit dem Bau der Ersatzbrennstoffanlage befasst, in der vorbehandelte Abfälle verbrannt werden, um daraus Energie zu gewinnen. Nach vielen technischen Schwierigkeiten und Gerichtsverfahren sei die Anlage nun rechtskräftig genehmigt und gehe im Januar 2015 in den Regelbetrieb, kündigte Mohr an: „Aus unserer Sicht ein abgeschlossenes Projekt“. Schon 2014 seien 335 000 Tonnen Müll verbrannt worden, künftig seien es mehr 400 000 Tonnen. Damit werde ein Viertel bis ein Drittel des Dampfbedarfs der Firmen im Industriepark gedeckt.
Auch der Reformprozess „Perspektive 2015 plus“ sei nahezu abgeschlossen, die Ziele fast erreicht: eine Streichung von bislang 280 Vollzeitstellen und eine Einsparung von 75 Millionen Euro. Damit sollten Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gesteigert werden, erklärte Jürgen Vormann. Das wirke sich bereits positiv aus. Die Geschäftsführer konstatierten der Infraserv eine „zufriedenstellende Geschäftsentwicklung“ in einem für die Industrie schwierigen Umfeld. Jährliche Investitionen (2014 waren es 370 Millionen Euro, seit dem Jahr 2000 beläuft sich die Summe der Investitionen auf rund 6,3 Milliarden Euro) dienten der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Industrieparks, in dem rund 90 Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche mit rund 22 000 Mitarbeitern ansässig sind.
„Warum muss, kann, will ich in Deutschland investieren und produzieren? Es wird immer schwieriger, diese Frage zu beantworten“, sagte Roland Mohr. Die Politik macht der Industrie das Leben schwer. Insbesondere Energiewirtschaft, Verkehr und Ausbildung bereiten den Betrieben Magenschmerzen. Mohr beklagte das Fehlen verlässlicher Rahmenbedingungen, vor allem für energieintensive Branchen wie die Chemie, die dadurch Wettbewerbsnachteile erlitten. Die einseitige Förderung erneuerbarer Energien führe weiter dazu, dass effiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen nicht wirtschaftlich betrieben werden könnten. Das wiederum stehe im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Regierung, wonach bis 2020 der Anteil des Stroms aus solchen Anlagen bei 20 Prozent liegen solle.
Großen Schaden verursachten auch die schlechten Straßen und maroden Brücken im Land. Sperrungen und Staus wirkten sich schmerzhaft auf die Logistik aus. „Die marode Infrastruktur bremst die Entwicklung der Wirtschaft“, sagte Jürgen Vormann – eine Entwicklung, „die wir uns vor zehn Jahren nicht hätten vorstellen können“. Die Chemie sei die transportintensivste Branche Deutschlands und leide daher besonders unter der „chronischen Unterfinanzierung“ der Straßen. Er plädierte dafür, mehr Geld für investive Ausgaben aufzuwenden und weniger für konsumtive, „um den Wohlstand perspektivisch zu sichern“.
Sorgen bereitet den Unternehmen darüber hinaus die Lage auf dem Arbeitskräftemarkt. Aufgrund des demographischen Wandels gebe es immer weniger geeignete Schulabgänger für die immer komplexeren Berufe. Der Trend zur Akademisierung gefährde das Duale Ausbildungssystem, immerhin ein deutsches Erfolgsmodell. „Ein berufsqualifizierender Abschluss ist kein Abschluss zweiter Klasse“, warb Vormann für die vielen Möglichkeiten, die sich Absolventen auch nach der Ausbildung eröffnen.
Auch im Hinblick auf die Regionalpolitik brauche die Industrie Entwicklungsmöglichkeiten. Sei es der Kampf um die knappen Flächen im Ballungsraum oder der „Zielkonflikt“ zwischen prodzuierendem Gewerbe und den Ansprüchen der Wohnbevölkerung: „Wir brauchen eine breite Akzeptanz unseres nachbarschftlichen Umfelds“, sagte Vormann, nur dann könne die Industrie langfristige Perspektiven entwickeln. hn

Zehn Jahre lang leiteten die Geschäftsführer Roland Mohr (links) und Jürgen Vormann die Geschicke der Infraserv. Nun hat sich Mohr verabschiedet. Foto: Michael Sittig

Zehn Jahre lang leiteten die Geschäftsführer Roland Mohr (links) und Jürgen Vormann die Geschicke der Infraserv. Nun hat sich Mohr verabschiedet. Foto: Michael Sittig

Macht ganz schön Dampf: Die Ersatzstoffverbrennungsanlage der Infraserv auf der südlichen Mainseite. Foto: Michael Sittig

Macht ganz schön Dampf: Die Ersatzstoffverbrennungsanlage der Infraserv auf der südlichen Mainseite. Foto: Michael Sittig