Eiche soll im Gedächtnis bleiben

Eiche soll im Gedächtnis bleiben

Ortsbild Das Naturdenkmal ist tot und gefällt – Eine Baumgruppe wird es ersetzen

Da fehlt doch was! Seltsam leer wirkt die Farbenstraße, die sich schnurgerade vom Dalles Richtung Hattersheim zieht. Wo die Allesinastraße in spitzem Winkel in die Farbenstraße mündet, stand seit über 100 Jahren die Friedenseiche. Im Januar wurde sie gefällt.

Die mächtige Stieleiche war mit einem Stammumfang von über 4,60 Metern einer der stärksten Straßenbäume in Frankfurt und ein Naturdenkmal. 22 Meter hoch, mit einem Kronendurchmesser von mehr als 30 Metern, prägte sie Sindlingen wie kein anderer Baum. Die breite Baumkrone untergliederte die lange Farbenstraße. Unter ihrem Schatten traf man sich oder wartete auf den Bus. Die Anwohner freuten sich über ihre Verdunstungskühle im Sommer, und in ihrer einst dichten Krone lebten unzählige Tiere.

Zu verdanken ist die Eiche dem „Militärverein Deutschland“. Er pflanzte sie 1910 zum „Sedansfest“ als Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 als Gedächtnis-Eiche. Das Bäumchen wuchs und gedieh bis in die 1980er Jahre. Dann verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Immer öfter mussten abgestorbene Äste und Zweige entfernt werden, damit sie nicht auf Fußgänger und Fahrzeuge fallen konnten. Die Schäden könnten durch die seinerzeit erfolgte Pflasterung des Wurzelbereiches befördert worden sein. Das für Bäume extreme Stadtklima und die mittlerweile sehr warmen Sommer haben den Schadensverlauf begünstigt, zumal die Stieleiche ein Baum der frischen und feuchten Wälder ist und in der Natur keinen trocken-heißen Standort besiedelt.

In den letzten Jahren verschlechterte sich der Gesundheitszustand zusehends. Die Krone wurde lichter, die Blätter kleiner. Gutachter empfahlen 2011 einen Kronenregenerationsschnitt. Der Sindlinger Gartenbauunternehmer Bernd Krämer befand schon damals, dass der Baum nicht mehr zu retten sei. Pilze hatten sich ausgebreitet, die Krone blieb weitestgehend kahl.

Trotzdem ließ die Stadt nichts unversucht, das Naturdenkmal zu erhalten. 2012 wurde der kleine Platz im Wurzelbereich entsiegelt und mit speziellem Erdsubstrat aufgefüllt, um dem Baum bessere Lebensbedingungen zu bieten. Diese Investition wurde allerdings schon mit einem Blick in die Zukunft getätigt. Die offene Bodenfläche sollte zukünftigen Ersatzpflanzungen gute Wuchsbedingungen bieten. Es bestand allerdings auch die Hoffnung, den Absterbeprozess der Stieleiche zu verlangsamen. Der Baum hat auf die Verbesserung reagiert und kräftige, dunkelgrüne Blätter gebildet.

Trotzdem war der Absterbeprozess nicht mehr zu verzögern. In den letzten Jahren haben verschiedene Pilze den Wurzelhals der Eiche stark zersetzt. Die Sindlinger Friedenseiche befand sich in einer Zerfallsphase, die durch den Pilzfruchtkörper des Tropfenden Schillerporlings angezeigt wurde. Ein Baumgutachten vom November 2015 attestierte eine „drastische Verschlechterung“ seit 2011. „Die Eiche ist kipp- und bruchgefährdet und wird in absehbarer Zeit absterben“, hieß es darin.

Damit das Gewicht der dicken Äste den Baum nicht zum Umkippen bringt, wurden sie gleich Anfang Januar gekappt. Der Stumpf, der anschließend einsam stehen blieb, folgte kürzlich. Grünflächenamt und Untere Naturschutzbehörde möchten den Baum aber nicht vollständig aus der Erinnerung löschen. Der rund 1,50 Meter dicke Stamm wurde nach der endgültigen Fällung auf der kleinen Grünfläche abgelegt und kann bis auf weiteres vor Ort bewundert werden. Mit dem Umlegen des Stammes erlischt auch der Schutzstatus als Naturdenkmal.

Um den liegenden Stamm herum soll eine Baumgruppe gepflanzt werden. Als Baumart kommt die Traubeneiche (Quercus petraea) in Frage, die nur von Fachleuten von der Stieleiche zu unterscheiden ist, aber von Natur aus auf trocken-warmen Standorten heimisch ist und das Stadtklima besser verträgt. Inwieweit diese Baumgruppe wieder das Prädikat „Naturdenkmal“ erlangen kann, muss in einigen Jahrzehnten von der Unteren Naturschutzbehörde entschieden werden .pia/simobla

Zu Kleinholz werden die dicken Äste und der Stamm der Friedenseiche zersägt. Foto: Michael Sittig

Zu Kleinholz werden die dicken Äste und der Stamm der Friedenseiche zersägt. Foto: Michael Sittig