Wo St. Michael um die Opfer trauert

Ortsgeschichte

Wo St. Michael um die Opfer trauert

Vor 80 Jahren wurde das Denkmal auf dem Sindlinger Friedhof eingeweiht

Von Dieter Frank

Alljährlich versammeln sich am Volkstrauertag Sindlinger Bürger und Vertreter der hiesigen Vereine auf dem Friedhof, um der Gefallenen der Weltkriege, beziehungsweise der Opfer von Gewaltherrschaft zu gedenken. Die Feierstunde wird jeweils vom VdK und der Arbeitsgemeinschaft der Sindlinger Ortsvereine organisiert und findet traditionsgemäß vor dem Ehrenmal in der Nähe des Haupteingangs statt.
Bei diesem Ehrenmal handelt es sich um eine Statue, die 1932 von Professor Richard Scheibe (geboren am 19.4.1879 in Chemnitz; gestorben am 6.10.1964 in Berlin) geschaffen wurde. Es verkörpert den Schutzpatron der Deutschen, St. Michael, der, ernst und besinnlich auf sein Schwert gestützt, um die Opfer trauert. Am 4. Dezember 1932 wurde dieses Ehrenmal in einer großen Feier unter Beteiligung der Sindlinger Vereine feierlich eingeweiht.
Um 13.30 Uhr setzte sich an diesem Tag von der Huthmacherstraße ausgehend ein Trauerzug in Bewegung, der unter den Klängen des Trauermarsches von Chopin zum Friedhof zog. Als der Zug dort ankam, näherten sich zwei Flugzeuge mit Trauerfahnen, um damit den Gefallenen die letzte Ehrung zu erweisen.
Die vereinigten Männerchöre des Ortes intonierten anschließend das „Niederländische Dankgebet“, ehe Andreas Müller einen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Ehrenmals gab. Bereits 1919 waren erste Überlegungen zu einem solchen Denkmal der Stadtverwaltung Höchst übergeben worden. 1926 ließ die Verwaltung den bis heute erhaltenen Ehrenfriedhof anlegen. Auf Anregung der Kriegerkameradschaft „Germania“ wurde ein Ehrenausschuss ins Leben berufen, der die erforderlichen Mittel sammeln sollte. Zunächst 19, dann 23 Vereine aus dem Ort traten ihm bei. Durch Sammlungen und auch besondere Veranstaltungen einzelner Vereine erreichte der Denkmalsfonds die Höhe von 2700 Reichsmark. Durch weitere private Spenden wurde die benötigte Summe erreicht. In einer Abstimmung der Ortsvereine wurde das jetzt auf dem Friedhof stehende Denkmal ausgewählt.
Die Geistlichen des Ortes, der katholische Pfarrer Steinmetz und der evangelische Pfarrer Weber, erinnerten an die „Pflichtauffassung“ der Gefallenen, die „im Bewusstsein, der Heimat und dem Vaterland das Beste geopfert zu haben“, ihr Leben verloren.
Nach einem weiteren Musikstück ergriff der Protektor, Direktor Doktor Kränzlein, das Wort. Er gedachte der „Abschiedsfeier 1914“, die damals unter Führung Herbert von Meisters die Sindlinger vereinte. Anschließend enthüllte er das Denkmal, wobei „Ehrensalven“ der Kriegerkameradschaft „Germania“ ertönten.
Nach dem Choral „Es ist bestimmt in Gottes Rat“ legte Dr. Kränzlein den ersten Kranz am Ehrenmal nieder. Er erinnerte dabei an den ersten Gefallenen Sindlingens, Herrn P. Hescher, und an das letzte Opfer des Krieges, dem auf dem Heimweg von zwei Besatzungssoldaten ermordeten H. Burgmann. Danach wies er auch darauf hin, dass zusammen mit den gefallenen Sindlingern zwei hier gestorbene Marokkaner bestattet seien. Anschließend übergab Dr. Kränzlein das Denkmal dem Vertreter der Stadt Frankfurt, Bürgermeister Dr. Müller, der ebenfalls einen Kranz niederlegte.
Mit dem Deutschland-Lied fand die Weihefeier auf dem Friedhof ihren Abschluss. Der Zug begab sich zum alten Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Krieges 1870/71. Hier gedachte der Vorsitzende der Kriegerkameradschaft „Germania“, Polizeimeister Andreas Karell, der Opfer der Kriege 1864, 1866 und 1870/71 und legte ebenfalls einen Kranz nieder. Die Musikkapelle spielte abschließend „Der gute Kamerad“.
Damit ging ein Tag zu Ende, der am Vormittag mit feierlichen Gottesdiensten in beiden Kirchen begonnen hatte.