Des einen Abfall ist des andern Rohstoff

Industriepark

Des einen Abfall ist des andern Rohstoff

Derzeit entsteht im Werk eine CO2-Produktionsanlage

Kohlendioxid (CO2) gilt als einer der Klimakiller schlechthin. Es ist ein Treibhausgas, dem eine Mitschuld an der allgemein postulierten Erderwärmung gegeben wird. Wenn nun ein Unternehmen ankündigt, im Industriepark Höchst für rund fünf Millionen Euro eine Kohlendioxid-Produktionsanlage zu bauen, staunt der Laie.
„Kohlenstoffdioxid, wie es korrekterweise heißt, hat nicht nur schlechte Seiten“, erklärt Gerhard Schlüter, Geschäftsführer der im Oktober 2012 gegründeten CO2-Betriebs-GmbH. Die Kohlensäure verursacht das Prickeln in Cola, Limo, Wasser oder Bier. Die „Schutzatmosphäre“, unter der viele Lebensmittel verpackt werden, enthält 30 Prozent CO2. Klärwerke setzen es zur Abwasserneutralisation ein und technische Betriebe verwenden es als eine Komponente von Schutzgas in der Schweisstechnik. Im Industriepark fällt CO2 bislang nur als Abfallprodukt an. In einer der weltweit größten Vinylacetat-Anlagen stellt die Firma Celanese Chemicals Europe GmbH Vorprodukte für die Herstellung von Spezialkunststoffen her. Das Kohlendioxid, das dabei entsteht, wandert bislang in die thermische Abgasreinigung, sprich: Es entweicht über den Schornstein in die Atmosphäre. Künftig soll mehr als die Hälfte davon durch eine 200 Meter lange Rohrleitung in den neuen Betrieb gelangen. Er wird auf einer 1300 Quadratmeter großen, von Infraserv gepachteten Freifläche gebaut, zwischen der Ester- und Spezialitätenproduktion der Celanese, einem Bereichslager, Hochtanks und vielen Rohrleitungen. Das ohnehin schon recht reine CO2 soll darin weiter gereinigt, verflüssigt und anschließend bei minus 24 Grad in Hochtanks gelagert werden. Unmittelbar davor entsteht eine Tankwagen-Verladestation. Von da aus bringen Tanklaster das flüssige CO2 zu den Kunden. Schon im Oktober soll die Anlage in Betrieb gehen und jedes Jahr rund 28 000 Tonnen Produkt herstellen.
Neue Arbeitsplätze entstehen dadurch aber nicht. Externes Personal unternimmt Kontrollgänge, bei gravierenden Störungen soll sich die Anlage automatisch abschalten. Steuerung und Überwachung leistet die Leitwarte der Westfalen AG bei Osnabrück. Die AG hält 50 Prozent der Anteile der CO2-Betriebs-GmbH. Mit jeweils 20 Prozent sind die basi Schöberl GmbH aus Rastatt und die Rießner-Gase GmbH aus Lichtenfels, mit zehn Prozent die Sauerstoffwerk Friedrich Guttrof GmbH aus Wertheim beteiligt. Die Firmen sind allesamt Mitglieder der Interessengemeinschaft Industriegase-Union und wollen sich in Höchst eine eigene CO2-Quelle sichern. Die mittelständischen Gasthersteller machen sich damit unabhängiger von Lieferanten, erklärt Schlüter. Celanese erhält „einen Obolus“ für die Überlassung des Rohstoffs, sagt Berthold Nuber, Betriebsleiter der Vinylacetat-Anlage von Celanese: „Uns geht es aber vor allem um den Klimaschutz“. „Ein Beitrag zum Umweltschutz“, sagte auch Rita Bürger, Geschäftsführerin der Celanese, beim ersten Spatenstich. Roland Mohr, Geschäftsführer der Standortbetreibergesellschaft Infraserv, freut sich über das neue Netzwerk: „Aus dem Abfallprodukt des einen wird der Rohstoff für den anderen“. hn