Kamin läuft den Rosen den Rang ab

Villa unter den Linden

Kamin läuft den Rosen den Rang ab

Das Rosenfest fand diesmal vor allem drinnen statt

An Rosendüfte war nicht zu denken. Auch nicht ans Flanieren im Freien. Hatten im vergangenen Jahr beim Rosenfest der Fachklinik Villa unter den Linden Kinder im Sonnenschein Abkühlung unterm Rasensprenger gesucht, suchten Besucher in diesem Jahr die Nähe zum Kamin.
Den hatten die heutigen Bewohner der ehemaligen Villa von Meister vorsorglich mit Holz bestückt und es entzündet. So war es in der schönen Halle des Hauses mollig warm. Während draußen bei weniger als zehn Grad Celsius und Regen Sitzgarnituren einsam und verlassen auf dem Rasen standen, ließ es sich im ehemaligen Damenzimmer, dem Spiegelsaal, gut aushalten. Dort las Heide-Carmen Schultz das Märchen vom Dornröschen vor. Im Durchgang zum benachbarten Gartenzimmer bauten Karl-Heinz Edelmann (90 Jahre) und Karl Hohmann (92) mit Hilfe der Bewohner ihre Instrumente auf. Als Edel- und Hohmann-Band spielten sie zum Tanztee auf. Gut möglich, dass auch zu Zeiten der von Meisters in dem hellen Raum mit Blick zum Main getanzt wurde, sagt Klinik-Psychologe Dieter David Seuthe. Insofern stimmte das Motto: „Wie es früher war“. Auch Gesangsvorträge dürften damals in der Villa zu hören gewesen sein. Diesmal erfreute Opernsängerin Irina Bauer die Besucher.
Wie früher hatten sie auch die Möglichkeit, Kaffee oder Tee in der Orangerie zu genießen. Das dort angesiedelte drogenfreie Café und Bistro bot Kuchen und Waffeln an und wärmende Speisen. An den Wänden der Orangerie hängen als Dauerausstellung viele Fotos und Erinnerungsstücke an die Familie des Farbwerksgründers von Meister. Zwei alte Freundinnen und ein junger Mann betrachteten sie besonders interessiert: Lieselotte Heim und Nadine Baronin Redwitz, Enkelin Else von Meisters, trafen sich nach fast 70 Jahren wieder an dem Ort, an dem sie als kleine Mädchen miteinander gespielt hatten. Johann von Mallinckrodt, Freifrau von Redwitz‘ Neffe, begleitete seine Tante.
Als Kind besuchte sie mit ihrer Familie, die in Bayern lebt, regelmäßig ihre Großmutter Else von Meister in Sindlingen: „Weihnachten und im Sommer waren wir immer da“, erinnert sich Nadine von Redwitz. Die etwa gleichaltrige Lilo Heim wurde dann ebenfalls zum Spielen im Park eingeladen; Else von Meister kannte das Mädchen aus der evangelischen Gemeinde, in der beide aktiv waren. Die beiden Damen, damals elf und 13 Jahre alt, erinnerten sich an viele Details. Etwa an das Puppenhaus, das noch bis 2012 am Hügel stand. „Darin war sogar ein Herd, wir haben richtig Mamis gespielt“, lächeln die beiden. „Einmal sind wir bei Fliegeralarm in den Eiskeller gelaufen“, wissen sie noch. Nach dem Krieg verloren sie sich aus den Augen. Die US-Amerikaner beschlagnahmten die Villa und machten daraus ein bizonales Hotel.
Aus der Zeit, 1949, stammt eine Aufnahme, die Meister-Urenkel Johann von Mallinckrodt gleich ins Auge fiel. Sie zeigt seinen Vater, den Meister-Enkel Dr. Goswin von Mallinckrodt, als fröhlichen Lausbub „Gossi“ mit viel zu großen, aber mit Stolz getragenen amerikanischen Jeans vor der Villa der Großeltern. Else von Meister zog damals in die Wohnung über dem Reitstall. Dort lebten sie und ihre Tochter Elisabeth bis zu ihrem Tod. Als letzte Erbin des Anwesens vermachte es Elisabeth von Meister dem Deutschen Orden, der darin die Fachklinik für ehemalige Drogenabhängige einrichtete. Bedingung war, dass der Park weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Standen die Sindlinger den neuen Nachbarn anfangs skeptisch gegenüber, hat sich das längst gelegt. „Wir sind fester Bestandteil des Ortes“, erklärte Dieter David Seuthe zum Ende der Führung durch die Anlage, die er wie stets bei Rosen- und Lichterfest anbot. Sie fand auch dieses Mal wieder viele interessierte Zuhörer. hn

Da werden Erinnerungen wach: Lilo Heim (links) und Nadine Freifrau von Redwitz spielten als Kinder gemeinsam im Park. Von Redwitz' Neffe Johann von Mallinckrodt entdeckte seinen Vater und weitere Verwandte aus der Meister-Linie in der Fotoausstellung.

Da werden Erinnerungen wach: Lilo Heim (links) und Nadine Freifrau von Redwitz spielten als Kinder gemeinsam im Park. Von Redwitz‘ Neffe Johann von Mallinckrodt entdeckte seinen Vater und weitere Verwandte aus der Meister-Linie in der Fotoausstellung.

In der Villa erzählte Dieter David Seuthe (Mitte links) vom Leben der Familie von Meister. Fotos: Michael Sittig

In der Villa erzählte Dieter David Seuthe (Mitte links) vom Leben der Familie von Meister. Fotos: Michael Sittig