Paul Kirchhof – Ein Sohn des Volkes

Paul Kirchhof

Ein Sohn des Volkes

Erst im Widerstand, dann im Wiederaufbau aktiv

Von Bernd-Axel Lindenlaub

Am 21. Oktober jährte sich der 110. Geburtstag von Paul Kirchhof, dem Frankfurter oder, besser gesagt, Sindlinger Kommunalpolitiker. Sein Enkel Bernd-Axel Lindenlaub, der 1945 im Sindlinger Bunker geboren wurde und heute in Berlin lebt, erinnert an den bedeutenden Mann.

Für seine Lebensleistung wurde er mit der Benennung des Paul-Kirchhof-Platzes in der Siedlung des Bauvereins geehrt. Der Weg dahin war jedoch schwer für ihn und seine Familie. Nach dem Schulbesuch in Okriftel erlernte er das Kraftfahrzeughandwerk bei der Adam-Opel-AG in Rüsselsheim. Schon früh wurde er Gewerkschaftsmitglied und trat in die SPD ein. Nach längerer Gesellentätigkeit fand er den Weg als Omnibusfahrer zur Frankfurter Straßenbahn, die ihn auf dem Omnibusbetriebshof Höchst beschäftigte. Als politisch aktiver Sozialdemokrat wurde er, verheiratet und damals Vater von zwei Kindern, 1933 aus dem Dienst entfernt.
Er bildete mit Paul Apel und weiteren Genossen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und der SPD eine Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus, die unter anderem die illegale Zeitschrift „Sozialistische Aktion“ der SPD in Sindlingen und dem Main-Taunus-Bereich verteilte. 1935 wurden er und viele weitere Sozialdemokraten verhaftet. Paul Kirchhof, der auch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Main-Taunus im Untergrund war, wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Oberlandesgericht Kassel zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. In der Haft hat er erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten. Später wurde er zum Strafbataillon 999 gepresst. Seine Frau mit inzwischen drei Töchtern war im Alltag einschneidenden Repressalien, Hunger und Anfeindungen durch Nationalsozialisten ausgesetzt. Unterstützung kam meist geheim von Freunden und Gesinnungsgenossen.
Nach dem Krieg wurde Kirchhof bei der Straßenbahn wieder als Omnibusfahrer eingestellt. Er stieg rasch zum Fahrmeister und Bahnhofsvorsteher des Omnibusbetriebshofes Höchst und schließlich zum Betriebsdirektor der Frankfurter Straßenbahn auf. Unterbrochen wurden diese Tätigkeiten durch seine zeitweilige Berufung zum hauptamtlichen Vorsitzenden einer Entnazifizierungskammer.
Nach dem Krieg stellte er sich sofort wieder für den Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens zur Verfügung. Bereits 1946 wurde er zum Stadtverordneten der SPD gewählt. Er gehörte zahlreichen Ausschüssen an. Von 1948 bis 1953 war er Vorsitzender der SPD-Fraktion im Frankfurter Römer. Aus dieser Position heraus war er an vielen Projekten des Wiederaufbaues in Frankfurt beteiligt. Sein besonderes Augenmerk galt aber seiner Wahlheimat, dem Frankfurter Vorort Sindlingen, in dem er mit seiner Frau und inzwischen fünf Kindern wohnte. Unvergessen ist die 50-Jahr-Feier des Sindlinger Jahrgangs 1902, die unter großer Anteilnahme der Bevölkerung stattfand, aber auch die zahlreichen Unterstützungen, die er als Kommunalpolitiker für Bürgerinnen und Bürger in Not organisierte.
Paul Kirchhof verunglückte am 28. Februar 1953 im einundfünfzigsten Lebensjahr allzu früh tödlich auf der Autobahn bei Darmstadt-Eberstadt. Er war auf der Heimfahrt von einer Vorstandssitzung der Vereinigung der Straßenbahnergesangsvereine Deutschlands (heute Sängerbund Dienstleistungsbetriebe), deren Gründer und Bundesvorsitzender er war.
Die große Wertschätzung, die Paul Kirchhof genoss, drückte sich in der Teilnahme Tausender Menschen und Vertreter zahlreicher Organisationen an der Trauerfeier auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt aus. An der Urnenbeisetzung auf dem Sindlinger Friedhof nahmen zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, aber auch viel politische Prominenz aus Frankfurt und Hessen teil. Sein Grabmahl trägt die Inschrift „Ein Sohn des Volkes“.