Brandstifter wollen sich bessern

Urteil

Brandstifter wollen sich bessern

Landgericht erlässt Bewährungsstrafe für die beiden jungen Männer

Von Oktober 2011 bis August 2012 hielt eine Serie von Bränden Sindlingen in Atem. Schließlich wurden zwei junge Männer verhaftet, nachdem sie gerade eine Gartenhütte in der Edenkobener Straße angezündet hatten. Am 14. Mai 2014 mussten sie sich vor der großen Jugendkammer des Frankfurter Landgerichts verantworten.

Langeweile, den „Kick“ beim Zündeln und Lust auf Feuerwehreinsätze: Das gaben E. und K. (beide 20 Jahre alt) als Motive für insgesamt 18 Brandstiftungen an.
Anwalt Ulrich Enders erklärte, dass sein Mandant als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Sindlingen kurz zuvor die Erlaubnis erhalten hatte, an Einsätzen teilzunehmen. „Das wollte er auch tun“, sagte Enders. Deshalb schlug E. seinem Kumpel K. vor, einen Anlass zu schaffen. Am 16. Oktober 2011 steckten die beiden Heu- und Strohballen auf dem Feld eines Landwirts an der Okrifteler Straße an – jenes Landwirts, bei dem E. als Schulkamerad der Tochter seit Jahren ein- und ausgegangen war. Er half bei der Ernte, fuhr gerne Traktor und verdankte dem Bauern indirekt sogar die Lehrstelle zum Landmaschinenmechaniker. Doch als er älter wurde, „hatte er nur noch Mist im Kopf“, berichtete die Ehefrau des Landwirts vor Gericht. Er heizte mit dem Traktor wild herum, richtete Schäden an. Es kam zum Streit, der Landwirt warf E. hinaus.
Und nun brannte das Feld. E. rückte mit der Feuerwehr an und half beim Löschen. Wenige Wochen später füllten E. und K. Benzin in eine Plastikflasche und fuhren mit dem Auto umher, um einen Ort für eine neuerliche Brandstiftung zu finden. Sie entschieden sich für die Gärten an der Straße zur Internationalen Schule. In einer von drei benachbarten Hütten deponierten sie die Benzinflasche, legten eine Benzinspur und zündeten sie an. Es gab eine Explosion, alle drei Hütten brannten ab, 5000 Euro Sachschaden. Anfang Dezember versuchten sie das Vereinsheim des Karnevalvereins abzubrennen. Zum Glück hielt das Gebäude stand. Umso schlimmer wüteten die Flammen einen Tag vor Weihnachten im Gartengelände zwischen Edenkobener und Neulandstraße. Zwei Hütten brannten ab, 3000 Euro Schaden entstanden ihren Besitzern. Am ersten Weihnachtsfeiertag 2011 steckten die beiden wieder an der Okrifteler Straße Heuballen an. Anschließend sahen sie von der Mainbrücke aus zu, wie die Berufsfeuerwehr die Flammen bekämpfte. 2012 zündeten sie öfter Mülltonnen und Altpapiercontainer an, einfach so, auf dem Rückweg von der S-Bahn zum Beispiel. In einem Fall schmolz dadurch die Dämmung einer Hauswand, 7000 Euro Schaden, in zwei anderen Fällen belief sich der Schaden an Hauswänden sogar auf 10 000 Euro. Ende Juli setzten die beiden 88 Heuballen in Brand, die in den Wingerten unter einem Wellblechdach lagerten. In einem benachbarten Garten schliefen zwei Menschen in einem Wochenendhaus – sie kamen mit dem Schrecken und Schäden am Gebäude davon. Aber durch den Brand und die Löscharbeiten, bei denen ein hochwertiger Zaun umgefahren und Weideland mit Löschschaum kontaminiert wurde, entstanden rund 30000 Euro Schaden.
Nach drei weiteren Anschlägen im August wurden E. und K. am 18. August gefasst – E. stand zu dem Zeitpunkt als möglicher Täter bereits unter Beobachtung. Die jungen Männer hatten gerade zum zweiten Mal das Gartengelände Edenkobener Straße heimgesucht und die noch nicht ganz fertige Hütte niedergebrannt, die der Besitzer nach dem ersten Anschlag wieder aufgebaut hatte. Noch auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr wurde E. festgenommen.
Die Erfahrung, in Handschellen abgeführt und erkennungsdienstlich behandelt zu werden sowie eine Nacht in der Zelle zu verbringen, hinterließ Spuren. Bei der folgenden Vernehmung gestanden E. und K. die Taten. Vor Gericht erklärten sie ihr Bedauern. Sie hätten sich nichts dabei gedacht, nicht den Schaden und Verlust für andere bedacht, brachten sie stockend vor.
Zwischenzeitlich hat E. Kontakt zur Ehefrau des Landwirts aufgenommen, sich entschuldigt und angeboten, den Schaden wieder gutzumachen, indem er auf dem Hof hilft. Das tut er seither. K. gab an, dass er lediglich seinem Freund den Spaß beim Löschen habe ermöglichen wollen. „Es wird nicht mehr vorkommen. Künftig überlege ich, wenn was mache“, sagte er.
Rund 150 000 Euro Sachschaden haben die beiden angerichtet. Noch ist nicht klar, ob alle Opfer die Schäden per Zivilklage geltend machen. So oder so wird es für die beiden jungen Männer nicht leicht werden, das Geld aufzubringen. E. legt bereits jeden Monat 200 von seinen 500 Euro Ausbildungsvergütung dafür zurück, betonte sein Anwalt. Nachdem er die Lehre zum Landmaschinenmechaniker aufgegeben hatte, absolviert er nun eine zum Mechatroniker und steht kurz vor der Zwischenprüfung. K. hat zwei Ausbildungen abgebrochen und ist derzeit ohne Beschäftigung. Er hofft, noch in diesem Jahr eine Lehre zum Anlagenmechaniker aufnehmen zu können.
Beide befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung. Der Verteidiger sprach von „jugendlichem Leichtsinn“, einer „Episode, die jetzt abgeschlossen ist“. Der damals zuständige Sachbearbeiter der polizeilichen Brandkommission jedoch sagte, dass es sich nicht um Dumme-Jungen-Streiche gehandelt habe: „Da steckte ordentlich kriminelle Energie dahinter“. Er führte die „sich abzeichnende Maßlosigkeit“ an: „Wer weiß, wohin das geführt hätte, wenn wir sie nicht gestoppt hätten“.
Die Jugendgerichtshilfe bescheinigte den Angeklagten eine günstige Sozialprognose. Sie sah keine schädlichen Neigungen mehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt und plädierte für Bewährungsstrafen. Staatsanwältin Reinhilde Morbitzer war einverstanden, das Jugendstrafrecht anzuwenden. Erwachsene hätten angesichts der Schwere der Schuld für die Taten mehrjährige Freiheitsstrafen erhalten. So aber kamen die beiden Täter mit einer jeweils einjährigen Jugendstrafe davon, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem müssen sie weiter zur Therapie. hn/as