100. Geburtstag
100. Geburtstag
Schlesien, Marburg, Sindlingen
Maria Dörr blickt auf ein arbeitsreiches Leben zurück
In den 20-er Jahren ging Maria Dörr in Schlesien in die Schule. In den 30-ern arbeitete sie in Berlin als Hausmädchen, in den 40-ern zog sie nach Marburg, heiratete und brachte eine Tochter zur Welt. 1986 zog sie nach Sindlingen und feierte dort am 31. März 2015 ihren 100. Geburtstag.
Geboren wurde sie 1915 in Gräfenheim in Schlesien. Sie hatte fünf ältere Schwestern, ihr Vater arbeitete im Bergwerk, was gut für die eigene Brennstoffversorgung war. Ihre Mutter war als Landarbeiterin auf einem Rittergut angestellt und verdiente sich durch Bügeln für das ganze Dorf noch einiges dazu. Schon als Kind fuhr Maria Dörr nach dem obligatorischen Kirchenbesuch mit dem Fahrrad die Bügelwäsche aus. Das brachte ihr „Trinkgeld in Form von Naturalien“ (etwa Wurstbrote) ein, erinnert sich die rüstige Jubilarin an jene fernen Tage.
Mit 15/16 Jahren ging sie nach Berlin als Hausmädchen bei einem Arzt in Stellung. Noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges zog es Maria Dörr zur älteren Schwester nach Marburg, das ihre zweite Heimat wurde. Auch dort verdingte sie sich als Hausmädchen bei einer Jüdin und war quasi 24 Stunden lang für den Haushalt und die Kinder zuständig.
In Marburg lernte sie Georg Dörr kennen, der zunächst als Fachmann für die elektrische Versorgung der Marburger Klinik zuständig war und nicht zum Militär eingezogen wurde. 1942 heirateten die beiden. Vor Kriegsende wurde Georg Dörr doch noch eingezogen und 1945 nach Osten verlegt. Dort verloren sich seine Spuren und er galt als vermisst.
Im Jahr 1943 kam Tochter Ulrike zur Welt. Sie hat ihren Vater nur einmal gesehen.
Mutter und Tochter lebten zunächst in einem Zimmer bei einem älteren Ehepaar. Maria Dörr arbeitete nun als „Weißnäherin“ (Bettwäsche, Herrenhemden) und profitierte dabei von einer Nähmaschine, die sie von der Jüdin geerbt hatte. So konnte sie Arbeit und Kind gut vereinbaren. Nach dem Krieg erweiterte sie ihre Tätigkeit auch auf Pelze, Füchse, als sie bei einem Kürschner angestellt war. Bis in die 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts war sie damit beschäftigt. 1986 zog sie mit Tochter und Schwiegersohn nach Sindlingen in das gekaufte Reihenhaus in der Weinbergstraße.
Dort führt Maria Dörr ihren eigenen Haushalt im ersten Stock und hilft in der Küche mit. Sie ist geistig fit, klagt nur über das „schlechtere Hören“. Sie geht täglich mit ihrer Tochter spazieren, liest das „Höchster Kreisblatt“, sieht gerne Naturfilme und Musikshows und denkt an schöne Reisen im Rentenalter zurück. In die alte Heimat Schlesien jedoch ist sie nie wieder gefahren.
Zum 100. Geburtstag gratulierten Stadtbezirksvorsteher Dieter Frank und Stadträtin Elke Sautner im Namen der Stadt. simobla