Drohung, Kampf und dann Triumph
Drohung, Kampf und dann Triumph
Harmonika-Konzert Sinfonische Dichtung schildert das Streben nach Unabhängigkeit
Mit machtvollen Klängen eröffnete das Harmonika-Orchester Sindlingen (HOS) sein jährliches Konzert. Das Prélude aus Marc-Antoine Charpentiers „Te Deum“ ist gemeinhin als Eurovisionsmelodie bekannt. Es gab den elf Musikern im Altarraum der evangelischen Kirche gleich Gelegenheit zu zeigen, wie klangstark und raumfüllend ihre Instrumente wirken können.
Dass sie auch zart zu säuseln vermögen, erfuhren die gut 80 Zuhörer später. Zunächst begrüßte Vorsitzende Ursula Sinschek die Gäste und ging kurz auf die Geschichte des Orchesters ein, denn es feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Als nette Geste erhielt jeder Besucher am Eingang eine kleine Praline mit der Aufschrift „70 Jahre HOS“.
Tatsächlich wird in Sindlingen schon länger Harmonika gespielt. Ein Vorläufer mit dem Namen Handharmonika-Club Fidelio verschwand in den Kriegswirren. Besser belegt ist die Neugründung des Harmonika-Orchesters Sindlingen im Mai 1945 durch Peter Blum. Aus anfänglich elf Spielern wurden bis in die 70-er Jahre fast 100. „Heute sind wir wieder weniger“, sagte Ursula Sinschek – die sechs Aktiven wurden im Konzert von drei Musikern befreundeter Orchester sowie Franziska Ilg und Tamara Ohlenmacher am Keyboard unterstützt.
Im Publikum saßen einige Damen und Herren, die Ursula Sinschek persönlich begrüßte: die Ehrenmitglieder Hildegard Karell und Alfred Füller, die beide schon als Kinder eintraten und nun seit jeweils 70 Jahren dabei sind. Alfred Füller war zudem eine Zeitlang Dirigent. Auch der frühere Orchesterleiter Norbert Hahling war gekommen. Des weiteren ehrte Ursula Sinschek Monika Krolopp und Christian Sinschek für 25 Jahre Mitgliedschaft. Manfred Klepper ist seit 26 Jahren Dirigent und fördert den Verein seit 25 Jahren als passives Mitglied. Das Orchester führte seine Zuhörer auf eine musikalische Reise durch Europa und Asien sowie eine Reise durch verschiedene musikalische Epochen. Moderatorin Simone Polata erläuterte jeweils die Stücke. Präludium und Fuge in a-moll im Stile Buxtehudes von Matyas Seiber folgte die anspruchsvolle Ouvertüre der komischen Oper „La Dame Blanche“, die weiße Dame, von Francois-Adrien Boieldieu. Anspruchsvoll war sie auch für Dirigent Manfred Klepper. Mit großen Gesten forderte er die geballte Wucht der Akkordeone, dramatisch verstärkt durch Paukenschläge; mit geballten Fäusten brachte er alles zum abrupten Halt, um dann mit leichter Hand die Oberstimmen zur Wiederaufnahme zu winken.
Die Faszination der Harmonika zeigte sich vielleicht noch deutlicher in den sinfonischen Dichtungen. „Sie sind der Versuch, nicht-musikalische Inhalte mit musikalischen Mitteln zu beschreiben“, erklärte Simone Polata. Jean Sibelius hat das 1899 im Stück „Finlandia“ getan. Es schildert das finnische Streben nach Unabhängigkeit. Sibelius ließ Blechbläser drohen, Holzbläser erhaben antworten, Streicher Humanität einflechten. Fanfaren markieren Kampfesstimmung, Holzblasinstrumente geben die Hymne vor, Streicher nehmen sie auf. Anschließend steigert sich das Tempo. Hymnisch, stolz und immer siegessicherer nähert sich das Werk dem Finale.
Die Adaption für Akkordeon folgt dieser Vorgabe. Schwer und wuchtig sind die Anfangsakkorde, zart die melodiöse Antwort der hohen Töne. Trommelwirbel wirken wie ein gewaltiges Gewitter, der Kampf tost, daraus erwächst Aufmunterndes mit fröhlichen Elementen bis am Ende stimmige, geschlossene Klangfülle freudig triumphiert.
Eine Steppenskizze aus Mittelasien ( Alexander Borodin), das Lied der Steppe (Hans Lüders), ein Rondo nach einer badisch-pfälzischen Volksweise (Franz Reinl), „Rosen aus dem Süden“ (Johann Strauß) und eine Tarantella aus „Südlich der Alpen“ (Ernst Fischer) komplettierten das Programm.
Verstärkung willkommen
Das Harmonika-Orchester ist jeden Montag ab 17:30 Uhr im Gemeindehaus St. Dionysius zu finden.
Von 17.30 bis 20 Uhr werden Kinder und Erwachsene an Akkordeon und Keyboard ausgebildet, von 20.15 Uhr bis 21.45 Uhr probt das Orchester. Wenn jemand Interesse hat, eines der beiden Instrumente zu erlernen oder früher Gelerntes wieder aufzufrischen, ist er bei den Musikern jederzeit gern gesehen, sagt Vorsitzende Ursula Sinschek. Wer entsprechende Vorkenntnisse hat, kann auch gleich ins Orchester eintreten.