1225 Jahre Sindlingen – Wein- oder Apfelweinkönig?
1225 Jahre Sindlingen
Wein- oder Apfelweinkönig?
Im Jahr 791 nach Christus taucht eine frühe Form des Namens „Sindlingen“ in einer Urkunde auf. Deshalb feiern wir nun das mindestens 1225-jährige Bestehen unseres Dorfes. Interessante Details dieser langen Geschichte lesen Sie in dieser Serie des Heimat- und Geschichtsvereins. Heute: Teil 4, 17./18. Jahrhundert
Von Dieter Frank
Seit einigen Jahren wählen die Sindlinger jeweils im Herbst ihren Apfelweinkönig. Damit wird zum Ausdruck gebracht, wie wichtig dieses Getränk für den Stadtteil ist. Sicher, nicht jeder muss den Äppelwoi lieben, dennoch erfreut er sich hier großer Beliebtheit und im Ersten Weltkrieg wurde er sogar als medizinisch wichtig empfohlen.
Andererseits fällt aber auf, dass Sindlingen eine „Weinbergstraße“ und die „Wingerte“ hat. Wie passt das zusammen? Wein oder Apfelwein?
Und tatsächlich weist der Straßennamen auf die Sindlinger Weinbautradition hin. Bis ins 18. Jahrhundert wurde in Sindlingen nämlich Wein angebaut. Die Qualität war wohl nicht so überragend, dennoch bewirtschafteten die Sindlinger Bauern, beziehungsweise Winzer im 17. Jahrhundert circa 94 Morgen Rebfläche. Daraus wurden rund 18 000 Liter Wein hergestellt: Riesling und Sylvaner. Von dieser Menge stand dem Petersstift in Mainz der „Weinzehnt“ zu, eine Naturalabgabe, die aber durch sinkenden Ertrag immer geringer wurde. Die Sindlinger Bauern stiegen nämlich nach und nach auf Obstanbau um und ließen die Weinreben verkümmern.
Um dieser Tendenz Einhalt zu gebieten, wurde im Dezember 1724 eine Strafexpedition von Höchst ausgesandt, um die Obstbäume zwischen den Rebstöcken amtlicherseits zu fällen. Da die Sindlinger schon mehrmals den amtlichen Forderungen nicht nachgekommen waren, sollte nun ein Exempel statuiert werden: Der Höchster Amtmann werde die Sindlinger „wegen ihres enormen Ungehorsams ordentlich bestrafen und Stadtleute schicken, um die Bäume abzuhacken“.
Allerdings wusste die Strafexpedition nicht genau, um welche Bäume es sich handelte, sodass die Sindlinger auf ein großes Baumstück deuteten, das einem Frankfurter Bürger gehörte, der aber mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatte. Der beschwerte sich natürlich und klagte auf 1000 Gulden Schadensersatz, was schließlich in einem Vergleich beigelegt wurde.
Die Sindlinger sollten erneut versprechen, bis Herbst 1725 alle Obstbäume aus den Weinbergen zu entfernen. Ob das wirklich geschehen ist, lässt sich nicht mehr ermitteln. Fest steht aber, dass die Sindlinger den Weinbau nicht mehr förderten und er zum Erliegen kam. Als Ersatz wurde der Obstanbau gepflegt. Allerdings wurde bei der Grundsteinlegung zur neuen Pfarrkirche St. Dionysius im Jahr 1823 noch eine Weinflasche des Jahrgangs 1822 beigegeben. Wohl eine letzte Erinnerung an eine alte Sindlinger Ackerbaukultur. So wählt Sindlingen jetzt den Apfelweinkönig und keine(n) Weinkönig(in).
(nach A. Vollert, Sindlingen, 1991, S. 45f.)