Konfirmation kurz nach dem Krieg

Konfirmation kurz nach dem Krieg

Evangelische Gemeinde Eine Zeitreise mit Lieselotte Heim

Eine Schüssel Eier, eine Flasche Wein, eine Tüte Waschpulver und ein Stück Kernseife: Das waren Geschenke zur Konfirmation 1946. Lieselotte Heim, geborene Merz, listete sie in einem Brief an ihre Tante Elschen auf.

Die damals Vierzehnjährige schrieb ihn ihrer Patentante am 11. April 1946, weil diese nicht selbst zur Konfirmation kommen konnte. Sie wohnte in Kaub am Rhein, in der französischen Besatzungszone, und erhielt keine Reiseerlaubnis. „Bis zum Sonntag Morgen hatten wir noch mit Deinem Kommen gerechnet. Aber leider vergebens. Wir hätten Dir doch so gerne mal ein Stück Kuchen gegönnt. Wir hatten eine kleine, schlichte Feier“, schrieb ihr die Nichte.

Der Brief fand sich 1990 im Nachlass der Tante und wurde der Absenderin zurück gegeben. 2016, 70 Jahre nach ihrer Konfirmation, wirkt er wie ein Zeitsprung zurück ins Jahr 1946. Geschrieben auf einem karierten, in der Mitte gefalteten Din-A-4-Blatt aus einem Schulheft, belegt er die Papierknappheit, aber auch die Qualität des Schreib- und Schönschreibunterrichts in der Schule. Die sorgfältige Schreibschrift liest sich auch heute noch einwandfrei, obwohl „ich wegen der Papierknappheit keinen Rand ließ“, erläutert die Autorin. Auch die Konfirmationsurkunde selbst ist bescheiden aufgemacht. Die Mädchen trugen alle traditionsgemäß schwarze Kleider, erinnert sich Lilo Heim: „Meines war aus zwei alten Kleidern meiner Großmutter geschneidert worden – von ihr selbst. Die schwarzen Schuhe, die ich trug, gehörten meiner Mutter, meiner Großmutter und mir gemeinsam und waren von mir den ganzen Winter über auf dem langen Schulweg nach Königstein getragen worden.“

An das Mittagessen des Festtags hat die 84-Jährige noch vage Erinnerungen: „Unser Metzger hatte uns zwei Markknochen geschenkt und daher gab es eine Markklößchensuppe. Außerdem wurde ich mit Kartoffeln verwöhnt, die endlich einmal nicht glasig waren (ein Schrecken des kalten Winters) und eingelegte grüne Bohnen, die ich liebte. Ob es Fleisch gab und gegebenenfalls welches, weiß ich nicht mehr. Der Nachtisch bestand aus eingemachten Süßkirschen, die eine Nachbarin spendiert hatte.“

Fotografiert wurde die Vierzehnjährige auch, doch die Bilder sind nicht erhalten. Dafür gibt der Brief Aufschluss über weitere Geschenke: „Ich will Dir mal gerade aufzählen, was ich alles bekommen habe“, schrieb Lilo Heim ihrer Tante. Neben den genannten praktischen Dingen waren das „ein Theatertäschchen, eine Geldbörse, zwei Taschentuchbehälter mit Taschentüchern, eine silberne Kette mit Schaumperlen durchzogen, ein silberner Ring, ein Armband, ein Goethebild, eine Buchhülle mit Lesezeichen, Füllhalteretui mit Füllhalter und Drehbleistift, ein Kasten Taschentücher, ein Hemd, eine Nachthemdenpasse, eine Bonbonniere, ein Reisenessassier, eine Gebäckgabel, ein Besteck mit Monogramm, bunte Filzansteckblumen, furchtbar viele Karten, unzählige Blumen.“ Zu diesen aufgezählten Geschenken muss noch eins dazugezählt werden, „das ich später kam“, ergänzt Lilo Heim: „Einige andere erhielten es auch, es war geradezu ein Sindlingen-typisches ‚Geschenk‘: Der Uhrmacher Perlick fertigte aus silbernen Fünfmarkstücken Kreuze, die an einer Kette zu tragen waren.“

Nur drei Wochen nach der Konfirmation musste die Familie Sindlingen verlassen. Die Farbwerke rissen die Villenkolonie ab, Familie Merz musste ihr Haus in der Gustavsallee 15 von Karfreitag bis Ostersonntag räumen. Trotzdem hat Lilo Heim immer Kontakt zu Freuden in Sindlingen gehalten. Und so war es für sie keine Frage, dass sie zur Feier ihres 70-jährigen Konfirmationsjubiläums, der „Gnaden-Konfirmation“, an die Gustavsallee kam.

Gemeinsam mit Frauen und Männern, die vor 50, 60 und 65 Jahren eingesegnet wurden, besuchten sie einen festlichen Gottesdienst, den Pfarrer Ulrich Vorländer unter das Wort Jesu stellte, das über dem Altarraum geschrieben steht: „Gott ist Geist und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“. hn

Konfirmationsjubiläen feierten (vorne von links) Hans-Joachim Schulz, Liselotte Heim, geborene Merz, Waltraud Niebling, Ingrid Ullrich, geborene Roth, Eva-Maria Haschke, geborene Pfützner, Ilse Hackl, geborene Müller, Elsa Stenzel, geborene Will, Ingrid Hampl, geborene Horsch, Gisela Metz, geborene Ehmer; (hinten von links) Rudolf Möbus, Frank Heinrich, Helmut Fischer, Norbert Pickel, Karl Sommerschuh, Bernd Wangerin, Roswitha Adler, geborene Fink, Roland Strasser, Elke Weber, geborene Gawlik, Rolf Klös, Renate Sebald, geborene Mandry, Rolf Becht, Jürgen Ebinger, Pfarrer Ulrich Vorländer. Foto: Hans-Joachim Schulz

Konfirmationsjubiläen feierten (vorne von links) Hans-Joachim Schulz, Liselotte Heim, geborene Merz, Waltraud Niebling, Ingrid Ullrich, geborene Roth, Eva-Maria Haschke, geborene Pfützner, Ilse Hackl, geborene Müller, Elsa Stenzel, geborene Will, Ingrid Hampl, geborene Horsch, Gisela Metz, geborene Ehmer; (hinten von links) Rudolf Möbus, Frank Heinrich, Helmut Fischer, Norbert Pickel, Karl Sommerschuh, Bernd Wangerin, Roswitha Adler, geborene Fink, Roland Strasser, Elke Weber, geborene Gawlik, Rolf Klös, Renate Sebald, geborene Mandry, Rolf Becht, Jürgen Ebinger, Pfarrer Ulrich Vorländer. Foto: Hans-Joachim Schulz