Mit dem Planwagen durch Irland
Mit dem Planwagen durch Irland
Katholische Jugend Vor 50 Jahren war das eine Abenteuereise
Sie hatten eine Gitarre dabei, aber keinen I-pod – der war noch nicht erfunden. Sie schwammen in Flüssen und Seen in Ermangelung von Duschen und Waschbecken. Sie feierten ihre Gottesdienste im freien Feld, inmitten ihrer Wagenburg, und zogen zwei Wochen lang mit nur einer Pferdestärke über Land: 28 junge Männer und Frauen aus Sindlingen unternahmen vor genau 50 Jahren eine Planwagenfahrt durch Irland.
Entstanden ist die Idee an einem der monatlichen „offenen Abende“ für junge Leute im katholischen Gemeindehaus. Das waren Gesprächs- und Vortragsabende zu allen möglichen aktuellen Themen, erzählt Rolf Weiler. Ab und zu organisierte Kaplan Bertram Rohr eine Wochenendfahrt, einmal ging es sogar nach Paris. Aber als er vorschlug, mit Planwagen und Pferden durch Irland zu fahren, hielt sich die Begeisterung zunächst in Grenzen, erinnert sich Hans-Josef „Jupp“ Riegelbeck. Das erschien den meisten doch zu schwierig. Bedenken wegen des Umgangs mit den Tieren ließen sich schnell ausräumen: „Wir hatten mehrere aus der Landwirtschaft, die sich mit Pferden auskennen“, sagen Weiler und Riegelbeck. Um die Organisation kümmerten sich Rohr und Weiler, und so sagten am Ende 20 Männer und acht Frauen zwischen 18 und 27 Jahren Ja zu einem – für damalige Verhältnisse – echten Abenteuerurlaub.
Für die meisten war es der allererste Flug
Und ein Abenteuer war es in der Tat. Das galt schon vor die Anreise. Kaum einer war vorher geflogen. Nun ging es von Frankfurt nach Düsseldorf, von da auch nach Dublin und schließlich mit dem Bus zum Startpunkt in Cork. Dort übernahm die Sindlinger sieben Planwagen samt Zugpferden und sechs Reitpferde zusätzlich. „Das war auch gut so, denn unterwegs sind drei Pferde ausgefallen“, berichtet Riegelbeck. „In jedem Wagen waren vier Betten, je zwei übereinander, eine Kochnische mit einem Gaskocher und Geschirr“, listet er das karge Interieur auf. Strom oder Wasser gab es nicht, auch keine Kühlbox oder sonstige Annehmlichkeiten, wie sie heute gang und gebe sind.
Wie eine Karawane im Wilden Westen
Von Cork aus zuckelten die Reisenden westwärts Richtung Bantry, danach südlich bis Skibbereen und wieder zurück nach Cork. „Wie eine Karavane im Wilden Westen“, schmunzelt Riegelbeck. Sie übernachteten auf Wiesen und Weiden, und die tägliche Essensbeschaffung war mitunter schwierig, erzählt Rolf Weiler. Es gab ja kaum Lagerfläche und erst recht keinen Kühlschrank. „Wir kamen oft durch ärmliche Dörfer mit nur wenig Einkaufsmöglichkeiten. So war die tägliche Besorgung von Brot, Butter, Eiern, Milch und so weiter für 28 Leute eine kleine logistische Herausforderung“, berichtet er.
Wie erklärt man dem Metzger „Gulasch“?
Lebhaft ist den Teilnehmern der Versuch in Erinnerung geblieben, Gulasch zu kaufen. „Wir kamen an einem Metzger vorbei, aber er verstand nicht, was wir wollten“, erzählt Weiler. Schließlich durften sie das Stück Fleisch selbst auf dem Hackklotz in die gewünschten Stückchen zerteilen.
Begegnungen mit irischen Jugendgruppen, Lagerfeuerromantik, grüne Wiesen, Sonnenschein (doch: Es hat kaum geregnet, beteuert Jupp Riegelbeck), Feldgottesdienste, das Gefühl von Freiheit und das stete Weiterziehen im Takt der Hufe haben sich allen Teilnehmern unvergesslich eingeprägt.
Noch heute halten sie Kontakt zueinander. Vor kurzem trafen sich 17 von ihnen mit Bertram Rohr, längst Pfarrer im Ruhestand, um sich nach einem gemeinsamen Gottesdienst an ihre größte und schönste Reise vor 50 Jahren zu erinnern. hn