Der Weg nach Okriftel endete im Feld

Der Weg nach Okriftel endete im Feld

Geschichtsverein Dieter Frank schildert den Werdegang der Okrifteler Straße

Die Okrifteler Straße – Mehr als nur eine Verbindungsstraße. Darüber sprach Dieter Frank, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins, in einem Vortrag im evangelischen Gemeindehaus.

Die wesentlichen Merkmale der Straße sind schnell genannt. 642 Meter lang, erstreckt sich die Verbindungsstraße zum Nachbarort mainabwärts kerzengerade zwischen Farbenstraße und Brücke. „Das ist ein Hinweis darauf, dass sie geplant war und bewusst angelegt wurde“, sagte Dieter Frank.

Ihr Vorläufer ging direkt vom Dalles aus, wie auf einer Karte von 1700 zu sehen ist. Später wurde sie um einige Meter nach Westen gerückt. Mitte des 19. Jahrhunderts verlief sie in schon der heutigen Form, markierte dabei den Rand eines Neubaugebiets. Denn die westliche Seite war noch nicht bebaut. Stammen die Häuser mit ihren Höfen und Nebengebäuden auf der mainwärts gelegenen Seite überwiegend aus der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts, entstanden die gegenüberliegenden Gebäude eher um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Erst der Bau der Brücke schuf den direkten Weg

Eine Besonderheit prägte die Okrifteler Straße bis in die 70-er Jahre. Sie endete nämlich als Sackgasse im Feld. Der Weg nach Okriftel führte durch Horles und Imkerweg. Erst mit dem Bau der B40 über den Main wurde die Okrifteler zur echten Verbindungsstraße. Der Imkerweg endet seither in der Mockstädter Straße.

Das mag damit zu tun haben, dass sich südlich von Sindlingen eine Landes- und Zollgrenze befand. Während die meisten Dörfer der Region zu Mainz gehörten und katholisch waren, befand sich Okriftel im Besitz des evangelisch-calvinistischen Fürstentums Isenburg und damit der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. „Das war Ausland“, betont Dieter Frank. Der Schwerpunkt der Darmstädter Besitztümer lag auf der südlichen Mainseite. Für die Anbindung Okriftels wurde eigens eine Fähre etabliert.

Anders als diese weiter zurück liegende Geschichte ist vielen älteren Sindlingern die jüngere Vergangenheit der Okrifteler Straße noch gut im Gedächtnis. Ähnlich wie in der frühen Allesinastraße fand sich in den meisten Häusern ein Geschäft. Bäcker, Metzger, Lebensmittelhändler, der erste Schade-Supermarkt im Eckhaus zur Allesinastraße, Kohlenhändler, Kolonialwarenläden, Getränkehändler und etliche Handwerksbetriebe waren dort anzutreffen.

In der Okrifteler Straße 2 gründete ein Unternehmer bereits 1880 das „Kaufhaus Schneider“ für Wäsche, Bettwäsche und Kurzwaren. Nicht zu vergessen die Wirtschaften. Im Saal des Gasthauses „Zur Krone“ trainierten die Radfahrer, später befand sich dort das zweite Sindlinger Kino. Auf dem Gelände des weiter südlich gelegenen „Frankfurter Hofs“ lag noch um 1895 eine Küferei und Schmiede. Noch ein weiteres Gasthaus gab es, die „Rose“. Darin hielt die evangelische Gemeinde bis zum Bau ihrer Kirche ihre Gottesdienste.

Die Bauunternehmungen Noll, Westenberger und Schmitz sowie Brunnenbauer, Dachdecker und Steinmetze belegen, dass im Zug der Industrialisierung und des damit verbundenen Zuwachses an Arbeitsplätzen viel gebaut wurde. Und wenn die Wohnungen erst mal standen, konnten die Menschen auch die Einrichtung in der Okrifteler Straße erwerben. Zwei Möbelhandlungen und ein Einrichtungshaus hatten allerdings nicht die heutetypischen Dimensionen.

„Die Okrifteler Straße ist typisch für Sindlingen“, fasste Dieter Frank zusammen. Die meisten Geschäfte dienten der Nahversorgung. Eins nach dem anderen verschwand, heute ist die Okrifteer vor allem Wohnstraße und muss auch als Verbindungsstraße bei weitem nicht mehr so viel Verkehr verkraften wie in den 70-er Jahren, als täglich Zigtausend Pendler auf dem Weg in die Farbwerke dort durchfuhren.

Die Okrifteler Straße einst...

Die Okrifteler Straße einst…

...und heute.

…und heute.

Blick in den Schankraum des Frankfurter Hofs Fotos: Heimat- und Geschichtsverein.

Blick in den Schankraum des Frankfurter Hofs Fotos: Heimat- und Geschichtsverein.

Der „Frankfurter Hof“ beherbergte einst eine Küferei und eine Schmiede. Heute nutzt der Jugendclub das frühere Gasthaus.

Der „Frankfurter Hof“ beherbergte einst eine Küferei und eine Schmiede. Heute nutzt der Jugendclub das frühere Gasthaus.