Wie Phönix aus der Asche: Tiefpunkt überwunden

Wie Phönix aus der Asche: Tiefpunkt überwunden

Jubiläum 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Sindlingen

Die Freiwillige Feuerwehr Sindlingen feiert ihr 125-jähriges Bestehen. In einer kleinen Serie blicken wir zurück auf Höhen und Tiefen. In der Juni-Ausgabe ging es um die Gründung und die Kriegsjahre. Ende der 50-er Jahre begann es zu brückeln. Wie die Wehr überlebte, lesen Sie in Teil Zwei: Aufschwung und Modernisierung

1892 gegründet, überstand die Freiwillige Feuerwehr Sindlingen zwei Kriege und viele Höhen und manche Tiefen. Auf dem absoluten Tiefpunkt befand sie sich, als Alfons Ehry 1966 den Wehrführerposten übernahm. Das Gerätehaus in der Allesinastraße war zu eng und marode, es gab kaum Ausrüstung. Ohne Ausrüstung keine Mitglieder, ohne Mitglieder kein Anspruch auf Ausrüstung: Die Wehr schien zu resignieren und auszusterben. Frankfurt kümmerte es nicht, es gab ja die Berufsfeuerwehr. Erst in den 70-er Jahren änderte sich diese Ansicht. In den alten Ortskernen der historisch gewachsenen Stadtteile könne man auf die freiwilligen Feuerwehren nicht verzichten, fand zum Beispiel Oberbranddirektor Ernst Achilles. Mit durchschnittlichen Ausrückzeiten von drei Minuten, die die Helfer vor Ort brauchten, konnte die Berufsfeuerwehr nicht konkurrieren. Um Sindlingen wieder zu beleben, musste ein ordentliches Feuerwehrhaus her. Doch erst 1977 versprach der Magistrat, Sindlingen in den Bedarfsplan aufzunehmen – wenn es wieder eine leistungsfähige Einsatzabteilung besäße.

Die letzten Fünf bäumten sich auf

Die letzten fünf Aktiven fingen an, die Werbetrommel zu rühren. Das hatte Erfolg. Neue stießen hinzu, wurden ausgebildet. Durch Altpapiersammlungen versuchten die Aktiven, ihr Konto zu füllen. Aus dem Erlös und mit Spenden von Hoechst AG, Else von Meister und Sindlinger Geschäftsleuten konnten sie 1984 einen VW-Bus für den Mannschaftstransport anschaffen. 1986 erhielten sie ein zweites Löschfahrzeug. Blieb das Problem der Unterkunft. Durch die Anmietung einer kleinen Wohnung konnten zumindest Sanitärräume und eine kleine Küche geschaffen werden. Das Provisorium wurde erweitert, das Problem aber nicht gelöst.

Trotzdem gründete die Wehr im August 1987 eine Jugendfeuerwehr. Im gleichen Jahr erhielt sie ein modernes, großes Löschfahrzeug. Endlich begannen auch ernsthafte Vorbereitungen zum Bau eines neuen Feuerwehrhauses. An der Farbenstraße, am Kreisel, entstand auf 430 Quadratmetern Nutzfläche ein verkehrstechnisch günstig gelegenes Gerätehaus mit Unterrichtsraum, Wehrführerbüro, Teeküche und sanitären Anlagen.

Die Fahrzeughalle bietet genug Platz für alle Löschfahrzeuge. 1991 wurde das Haus eingeweiht. Seither läuft es rund. „In den vergangenen 25 Jahren waren wir immer einsatzbereit“, sagt Sascha Fölsing, Vorsitzender des Fördervereins der Feuerwehr. „Technisch sind wir auf gutem Stand“, ergänzt Wehrführer Sven Sommerschuh. Trotzdem sei es schwer, neue Aktive zu gewinnen. Diesmal liegt es nicht an Unterkunft oder Ausrüstung. Vielmehr sei der „Faktor Zeit ein massives Problem“, sagt Sommerschuh: „Wir sind hier eine relativ junge Wehr, mit einem Altersdurchschnitt von rund 30 Jahren“. Für die Familie sei es nicht immer einfach, wenn der Feuerwehrmann oder die Feuerwehrfrau scheinbar mehr Zeit im Gerätehaus und bei Einsätzen verbringt als zuhause.

Die Freiwilligen rücken nachts und an den Wochenenden aus. Sie haben an einem Abend pro Woche Schulung, unterrichten die Jugendfeuerwehr und leisten Brandwachen bei Veranstaltungen. Arbeiten gehen müssen sie auch.

Technische Hilfe ist gefragt

Die Art der Einsätze habe sich in den vergangenen 25 Jahren geändert. „Feuer waren immer heiß, aber früher waren sie nicht so schnell“, spielt Fölsing auf neue, schnell brennbare Materialien an. Zunehmend sind die Wehrleute als Fachkräfte für technische Hilfeleistung gefragt. „In den vergangenen zehn Jahren hatten wir viele Sturmschäden und die Hochwasser-Einsätze an Oder und Elbe“, sagt Sommerschuh. Zuletzt waren die Feuerwehrleute stark in der Flüchtlingshilfe eingebunden.

Ja, es ist ein anspruchsvolles Hobby. „Wir müssen mit einer Masse an Anforderungen klar kommen“, nennt Sommerschuh Beispiele für überbordende Bürokratie: „Das reicht vom Wissen um die Arbeitsstättenverordnung bis hin zu Blaulichteinsätzen.“ Gleichzeitig ist die Feuerwehr „Mädchen für alles“: „Wenn etwas passiert, ruft man die 112. Wir kommen überall hin“, sagt Sommerschuh.

„Was auffällt, ist die steigende Erwartungshaltung an die Feuerwehr“, sagt der stellvertretende Wehrführer Jens Sommer. Früher halfen sich die Menschen selbst bei Wasser im Keller. Heute rufen sie die Wehr.

Damit bestätigen sie eindrucksvoll, was der frühere Feuerwehrleiter Michael Kämpfer vor 25 Jahren formulierte: „Die Freiwilligen Feuerwehren sind durch nichts zu ersetzen.“ Und er lieferte auch gleich die Begründung mit, warum sich immer wieder Menschen dafür entscheiden, sich „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“ zu engagieren: Sie schätzten „Tugenden wie Gemeinschaftsgeist, Uneigennützigkeit, Kameradschaft, Einsatzbereitschaft und Mut“. Kurzum: die Freiwillige Feuerwehr. hn

In eigener Sache: Bei Sindlinger Festen wie hier dem Nachbarschaftsfest in der Brill-Straße werben Wehrführer Sven Sommerschuh und seine Feuerwehrleute für die Jugendfeuerwehr. Foto: Heide Noll

In eigener Sache: Bei Sindlinger Festen wie hier dem Nachbarschaftsfest in der Brill-Straße werben Wehrführer Sven Sommerschuh und seine Feuerwehrleute für die Jugendfeuerwehr. Foto: Heide Noll

Die Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Sindlingen. Foto: Michael Sittig

Die Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Sindlingen. Foto: Michael Sittig