Zu Kaisers Zeiten fing es an

Zu Kaisers Zeiten fing es an

 

Jubiläum: Freiwillige Feuerwehr Sindlingen besteht seit 125 Jahren

Die Freiwillige Feuerwehr Sindlingen feiert ihr 125-jähriges Bestehen. In einer kleinen Serie blicken wir zurück auf Höhen und Tiefen. Teil Eins: Gründung, Aufschwung, Niedergang.

 

Als 36 Sindlinger beschlossen, eine Freiwillige Feuerwehr zu gründen, regierte noch der Kaiser. Im Jahr 1892 herrschte Wilhelm II. über das Deutsche Reich.

Es war die Hochphase der Industrialisierung. Die 1863 von Meister, Lucius und Brüning gegründete chemische Fabrik wuchs und zog Arbeitskräfte an. Das trug maßgeblich dazu bei, dass sich die Bevölkerungsstruktur des Fischer- und Bauerndorfs Sindlingen veränderte. 1885 stellten die Fabrikarbeiter schon rund 30 Prozent der Einwohner. Sie wohnten eng aufeinander im alten Ortskern. Durch diese dichte Besiedlung erhöhte sich die Brandgefahr.

Im Höchster Kreisblatt vom 21. Oktober 1891 findet sich ein umfassender Überblick über die vorhandenen Brandbekämpfungseinrichtungen. 1846 Einwohner, allesamt „Landleute und Fabrikarbeiter“ in 340 Haushalten, behalfen sich im Fall eines Feuers mit dem Wasser aus acht öffentlichen und 45 Brunnen. Einen Löschteich gab es nicht, dafür aber eine 52 Mann starke Pflichtfeuerwehr, der zwei Feuerspritzen zur Verfügung standen.

1892 gründeten 36 Bürger eine zusätzliche Freiwillige Feuerwehr. Sie kauften Schläuche und bauten einen Schlauchturm hinter dem Rathaus, das damals in der Allesinastraße lag. Brandmeister und Wehrführer war Jakob Bender.

Preisschießen füllt die Kasse

Um alle bald 42 Feuerwehrmänner einkleiden zu können, griffen die Freiwilligen zu ungewöhnlichen Mitteln. Sie schafften drei Luftgewehre an und veranstalteten von Zeit zu Zeit Preisschießen. Vom Erlös kauften sie Uniformen und andere Ausrüstungsgegenstände.

Neben dem Löschen kleinerer Brände und der Beseitigung von Sturmschäden entwickelte sich ein reges Vereinsleben. Die Sindlinger Bürger kamen gern zu Feuerwehrfesten, Kappenabenden und weiteren Veranstaltungen wie Umzügen zur Einweihung einer neuen Leiter, Tanz- und Musikabenden oder Feuerwerk.

Im Einsatz bewährten sich die Männer. Jakob Bender hatte sie zu einer „raschen und energischen“ Truppe geformt, heißt es in zeitgenössischen Berichten.

Handbesticktes Banner zum 40.

Der Erste Weltkrieg kam, der Kaiser ging. Die Feuerwehr machte unverdrossen weiter. 1929 gründete Kapellmeister Josef Glatt ein Trommel- und Pfeifencorps, das die Wehrleute bei rerpäsentativen Auftritten unterstützte. Im Februar 1931 wurde das Gerätehaus an der Allesinastraße 24 umgebaut, um das 40-jährige Bestehen 1932 in angemessenem Rahmen feiern zu können. Die Frauen der Wehrleute hatten extra dafür ein 80 mal 120 Zentimeter großes, handgesticktes Banner bestellt. Es hängt noch heute im Schrank des Feuerwehrhauses und wird in hohen Ehren gehalten.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verliehen die Nationalsozialisten den Freiwilligen Feuerwehren einen Teil der behördlichen Aufsicht über Sindlingen. Sie mussten groß angelegte Zivilschutzübungen abhalten. Am 13. August 1942 fand ein Luftangriff auf Sindlingen statt. Die Alarmsirenen tönten durch den ganzen Ort. Die Feuerwehr löschte unter Einsatz ihres Lebens, was ging. Am 14. Oktober 1942 wurden erneut fünf Häuser in Brand geschossen. Die Flak-Stellung am Welschgraben konnte Sindlingen nicht schützen. Es folgten weitere Angriffe.

Als amerikanische Panzer am 26. März 1945 Kelsterbach erreichten und daraufhin von der Sindlinger Flak-Stellung beschossen wurden, erwiderten sie das Feuer und zerstörten zahlreiche Häuser in Sindlingen. Sieben Menschen starben dabei.

Am 28. März endete der Krieg mit dem Einmarsch der Amerikaner.

Bald durfte die Freiwillige Feuerwehr ihre Arbeit wieder aufnehmen. Nur 28 Mitglieder waren ihr geblieben. Trotz Werbeaktionen sank die Zahl weiter auf 23 im Jahr 1951. Der Leitspruch „Gott zur Ehr – dem Nächsten zur Wehr“ konnte damals kaum jemanden locken. Erst allmählich ging es wieder aufwärts.

Doch die Ausrüstung war bescheiden. Ein alter Opel Blitz mit Anhänger und Tragkraftspritze, die von Hand angeworfen werden musste, stand zur Verfügung. Als die Spritze versagte und das Auto nicht über den Tüv kam, stand die Wehr ohne fahrbaren Untersatz da. So konnte sie nur kleine und mittlere Brände bekämpfen und Brandwache bei Vereinsveranstaltungen halten.

Fahrzeug bietet nur drei Leuten Platz

Erst Anfang der 60-er Jahre erhielt die Sindlinger Wehr von der Stadt einen Unimog. Darin hatten aber nur drei Personen Platz. Alle anderen mussten sehen, wie sie im Ernstfall zum Einsatzort kamen. Der Raum im Feuerwehrgerätehaus an der Allesinastraße ließ kein größeres Fahrzeug zu. Das veraltete Gebäude musste dringend instand gesetzt werden.

Angesichts dieser Widrigkeiten ließ die Motivation nach. Als dann auch noch der Unimog wieder abgezogen wurde und die Mitgliederzahl sank, schwand die Einsatzfähigkeit. Zeitweise gab es nur noch sieben aktive Feuerwehrleute. Die Feuerwehr stand vor dem Aussterben. hn

 

Dass und wie sie überlebte, lesen Sie in der Juli-Ausgabe des Sindlinger Monatsblatts.

Hinter dem Rathaus in der Allesinastraße stand der Schlauchturm zum Trocknen der Schläuche. Foto: Feuerwehr

Hinter dem Rathaus in der Allesinastraße stand der Schlauchturm zum Trocknen der Schläuche. Foto: Feuerwehr

 

Die Sindlinger Feuerwehr vor dem Ersten Weltkrieg. Die Uniformen hatte sie sich aus dem Erlös von Preisschießen gekauft.

Die Sindlinger Feuerwehr vor dem Ersten Weltkrieg. Die Uniformen hatte sie sich aus dem Erlös von Preisschießen gekauft.