Anlegen, zielen, ausatmen, abdrücken

Anlegen, zielen, ausatmen, abdrücken

Sindlinger Schützengesellschaft Neben dem Sport steht Geselligkeit hoch im Kurs

Unerwartet schwer liegt das Gewehr in der Hand. Kein Vergleich zu den Dingern, die es an den Schießbuden der Rummelplätze gibt. „Etwa fünf Kilo“ wiegt es, sagt Wladimir Tucholke. Er betreut beim Geflügelschießen der Sindlinger Schützengesellschaft die Neugierigen, die das Schießen mit einem Luftdruckgewehr auf Scheiben in zehn Metern Entfernung ausprobieren wollen.. Denn natürlich flattert hier kein Federvieh durchs Schützenheim. Stattdessen werden die Treffer auf den Scheiben elektronisch ausgewertet. Diejenigen mit den besten Ergebnissen in den Kategorien „Präzision Vereinsmitglieder“, „Präzision Jugend“, „Präzision Gäste“ sowie „Glücksscheiben“ bekommen eine küchenfertige Gans oder Pute.

Wladimir Tucholke legt eine Kugel ein, den Sicherungshebel um und gibt Anweisungen: „Gewehr an die Schulter, durchs Visier sehen, zielen. Ruhig atmen. Beim Ausatmen abdrücken“, gibt er vor. Schon knallt es – der Abzug ist sehr leicht gängig. Also nochmal. Laden, anlegen, zielen, ausatmen, abdrücken. Immerhin: Dieser Schuss ging ins Schwarze, wenn auch knapp.

Atmung, Kondition, gute Nerven und die Fähigkeit, sich gut konzentrieren zu können, machen einen guten Schützen aus, sagen Tucholke, seine Frau Galina (zweite Vorsitzende) und Schriftführer Marco Bohne. Das gilt sowohl für Luftdruck- als auch Kleinkaliberwaffen. Beide Waffenarten und ihre unzähligen Unterdisziplinen pflegen die Sindlinger Schützen in ihrem Heim am Hattersheimer Südring.

Bei den Luftdruckwaffen (Gewehr und Pistole) schießt jeder in seinem eigenen Rhythmus. „In 75 Minuten müssen 40 Wertungsschüsse abgegeben werden“, sagt Marco Bohne. Bei den „scharfen“ Waffen, wie die Schützen die Kurz- und Langwaffen verschiedenster Kaliber nennen, erfolgt das Schießen auf Ansage. Es gibt ganz traditionelle Wettbewerbe, die der Deutsche Schützenbund ausrichtet, und dynamischere Disziplinen, für die der Bund Deutscher Schützen steht. Die Sindlinger sind in beiden Verbänden Mitglied. Im ersteren treten sie mit Mannschaften an, im zweiten liegt der Schwerpunkt auf Einzelwettkämpfen. „Jeder sucht sich im Internet heraus, was er gerne trainieren möchte, und meldet sich an“, erklärt Marco Bohne. Die Sindlinger Schützengesellschaft, die 1928 gegründet wurde, richtet jedes Jahr im April (2018: 7. und 8. April) den Wettkampf „Fallscheibe“ aus. Dabei geht es darum, fünf Scheiben in 25 Metern Entfernung in möglichst kurzer Zeit umzuschießen.

Etwa 40 Aktive zählt der Verein, darunter vier Frauen. Sie treten in jeweils zwei Mannschaften in der Sparte Großkaliber und Luftpistole im Deutschen Schützenbund an. „Wir betreiben aber keinen Leistungssport“, betonen die Vorstandsmitglieder. Obwohl es einzelne Mitglieder schon zu etlichen Meistertiteln auf verschiedenen Ebenen gebracht haben, vor allem die Damen 2017 mit einem ersten und sechs zweiten Plätzen bei Deutschen Meisterschaften glänzten, „geht es bei uns auch viel um die Geselligkeit“, sagt Galina Tucholke. Feste Termine im Jahreskalender sind neben dem Geflügelschießen das Königsschießen, um den Schützenkönig zu ermitteln, die Vereinsmeisterschaften der Verbände, das Grillfest an Fronleichnam und ein Kreppelkaffee (dieses Jahr am 11. Februar).

Arbeit und Training kosten Zeit

Daneben führen auch Arbeit und Training die Schützen zusammen. „Wir müssen sehr viele Arbeitseinsätze leisten, um die Anlage zu pflegen“, sagt Marco Bohne. Und ohne Training geht sowieso nichts. Dabei sind nicht nur die lizensierten Trainer gefragt. Die Schützen helfen sich auch gegenseitig: „Jeder kann Anleitungen geben und Regeln erklären und es gibt auch viel Austausch untereinander“, erklärt der Schriftführer. Das ist angesichts der hohen Sicherheitsauflagen insbesondere für Neulinge hilfreich. Wer Schütze im Verein werden möchte, braucht ein großes Führungszeugnis, eine Waffenbesitzkarte, muss Training und Wettkämpfe nachweisen und etliche Prüfungen bestehen. Dafür bekommt er am Ende die Lizenz für einen bestimmten Waffentyp. Auch die Aufbewahrung der Waffen folgt strengen Vorgaben.

Wer alles erfüllt, erhält irgendwann die höchste Sicherheitsstufe. Das alles macht den Sport neben dem Kauf von Waffen und Munition teuer. Anfänger müssen aber nicht gleich ihr Konto plündern. „Man fängt normalerweise mit Luftdruckwaffen klein an. Wir verleihen die nötigen Waffen“, sagt Marco Bohne. So wie beim Geflügelschießen, bei dem es Gäste selbst mal probieren können mit dem Anlegen, Zielen, Ausatmen und Abdrücken. hn

Nähere Infos zum Verein finden sich im Internet unter www.sgsindlingen.de

Am Tag der offenen Tür (in der Regel an Fronleichnam) dürfen Interessierte das Schießen mit dem Luftdruckgewehr ausprobieren. Foto: Michael Sittig

Am Tag der offenen Tür (in der Regel an Fronleichnam) dürfen Interessierte das Schießen mit dem Luftdruckgewehr ausprobieren. Foto: Michael Sittig