St. Dionysius – Wallfahrtsort mit hohem Turm

St. Dionysius

Wallfahrtsort mit hohem Turm

Kirchenführung für Mitglieder des pastoralen Raums

Manche Dinge scheinen erblich zu sein. Sindlinger diskutieren gerne. Beispielsweise stritten sie um 1850 mit den jeweiligen katholischen Pfarrern, die die Kirche verkleinern wollten. Teilweise konnte die Pfarrei nur noch verwaltet werden. Erst 1861 gab es wieder einen eigenen Ortsgeistlichen.
Zu dem Zeitpunkt blickte das Dorf am Main bereits auf eine lange katholische Geschichte zurück. Es ist eine der frühesten christlichen Ansiedlungen im unteren Maingau, folgte dem Ritus schon vor der Missionsarbeit von Bonifatius. Die erste Erwähnung einer Kirche in Sindlingen ist auf 830 datiert, weiß Ingrid Sittig vom pastoralen Raum Sindlingen-Zeilsheim-Höchst-Unterliederbach-Sossenheim. Weil heute die Zahl der Katholiken und ihrer Geistlichen beständig sinkt, werden die Pfarreien immer mehr vergrößert, übernehmen Laien zunehmend Aufgaben, die früher Pfarrern oder Pastoralreferenten vorbehalten blieben. Damit sich die Aktiven der jeweiligen Gemeinden untereinander sowie die Gegebenheiten in den Nachbarorten kennenlernen, zeigen sie sich gegenseitig ihre Kirchen. Jüngst war Ingrid Sittig an der Reihe, Interessierte durch St. Dionysius zu führen.
Sie umriss kurz die Daten: 40 Meter lang, 24 Meter breit, mehr als 700 Sitzplätze. Der dreischiffige Saalbau im klassizistischen Stil verfügt über ein breites, in einer Korbbogentonne gewölbtes Mittelschiff und endet in einer halbkreisförmig gewölbten Chorapsis. Sakristeien rechts und links, dorische Säulen und schmale Seitenschiffe mit steinernen Emporen sind weitere Merkmale des Baus, der auf Pfarrer Georg Heußlein und die Jahre 1823 bis 1825 zurückgeht. Der Pfarrer plante großzügig, denn für seine 560 Schäfchen baute er eine Kirche mit fast 800 Sitzplätzen. Um Raum dafür zu schaffen, wurde der alte Friedhof verlegt und das Beinhaus abgerissen. Während der Bauarbeiten hielt er die Gottesdiente in der St. Anna-Kapelle. Sie war 1726 von Sindlinger Familien gestiftet worden.
Die heutige Kirche ist übrigens nicht die erste. Schon 1394 wird eine dem Heiligen Dionysius geweihte Kirche in Sindlingen genannt. Dionysius hat nichts mit dem griechischen Weingott Dionysos zu tun, sondern geht auf den französischen Bischof Denis (zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts zurück), der als Märtyrer heiliggesprochen wurde und als Helfer bei Kopfschmerzen einer der 14 Nothelfer ist. Im 16. und 17. Jahrhundert war Sindlingen sogar Ziel von Wallfahrten zu Ehren des Heiligen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war es ein rein katholischer Ort.
1609 wurde anstelle der alten, baufälligen Kirche eine neue gebaut. Der 34 Meter hohe Turm steht noch immer. Die heutige Kirche ist also mindestens die dritte an dieser Stelle. 1930 weihte Pfarrer Steinmetz das erste Jugend- und Pfarrheim ein, 1936 wurde die Sakristei vergößert. 1963 gründete St. Dionysius eine Filialgemeinde auf halbem Weg nach Zeilsheim, bedingt durch die vielen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. 1968 wurde daraus die selbständige Pfarrei St. Kilian. St. Dionysius baute 1969 ein neues Pfarrhaus auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs. Das alte Gemeindehaus wurde Ende der 70-er Jahre abgerissen, 1980 das neue Pfarrzentrum in der Huthmacherstraße eröffnet. Ein schwarzer Tag war der 24. Mai 1985. Zwei Tage vor Pfingsten brannte es in der Apsis. Erst ein Jahr später konnten wieder Gottesdienste in der Kirche gefeiert werden. Die Renovierung kostete fast eine Million D-Mark. Im Jahr 2000 nahm die Gemeinde nochmal viel Geld in die Hand und ließ zum einen das Dach sanieren, zum anderen den katholischen Kindergarten umbauen.

Blick ins Kirchenschiff, das in einer halbkreisförmig gewölbten Chorapsis endet. Foto: Michael Sittig

Blick ins Kirchenschiff, das in einer halbkreisförmig gewölbten Chorapsis endet. Foto: Michael Sittig

Der Hochaltar weist eine Besonderheit auf: Anders als üblich bildet Maria von Magdala die Mitte und nicht Jesus am Kreuz.

Der Hochaltar weist eine Besonderheit auf: Anders als üblich bildet Maria von Magdala die Mitte und nicht Jesus am Kreuz.