Eure getreue im Herzen

Buchstütze

Euer getreue im Herzen

Silke Wustmann liest aus ihrem Buch „Frankfurter Liebespaare“

Romanze und Rosenkrieg und eine Liebe in Zeiten der Revolution: Silke Wustmann ließ in ihrer Lesung in der Stadtteilbücherei nichts aus. Die Historikerin und Kunsthistorikerin, die sich auf die Frankfurter Stadtgeschichte spezialisiert hat, las auf Einladung des Fördervereins Buchstütze vor etwa 35 Zuhörern aus ihrem Buch „Frankfurter Liebespaare“. Gitarrist Klaus Boll von den Frankfurter Naturfreunden besorgte den musikalischen Übergang zwischen den einzelnen Geschichten.
Die Entstehung des Werks ist den Kostümführungen zu verdanken, die Silke Wustmann (48 Jahre) regelmäßig anbietet. Im Westen ist sie als „Fräulein Fanny“ im Behring-Bau der früheren Hoechst AG, als „Frau Bolongaro“ im Höchster Bolongaropalast und als Höchster Schlossgeist „Gudula“ mit „Bären-Schorsch“ Mario Gesiarz, seines Zeichens Vorsitzender der „Buchstütze“, unterwegs. In der Innenstadt bietet sie ebenfalls Führungen an. Bei Recherchen dafür „bin ich immer wieder über Liebespaare gestolpert, die aber nicht zu den Themen der Führungen passten“, erklärt sie. Deshalb hat sie daraus eine neue zusammengestellt. Nach einer Liebespaare-Führung durch die Altstadt folgte häufig die Frage: Kann man das nachlesen? Nein, konnte man nicht. „Man müsste mal ein Buch darüber schreiben“, sagte sich Silke Wustmann und tat es. 2008 ist es erschienen, mittlerweile zum dritten Mal aufgelegt worden und auch als Hörbuch erhältlich.
Mehr als 30 Paare aus dem Raum Frankfurt und auch einige Legenden sind darin enthalten. Dabei handelt es keineswegs um rosarote Geschichten voller Romantik. „Häufig ist das Gegenteil der Fall“, sagte sie bei der Lesung. Bestes Beispiel: Der Rosenkrieg zwischen Clemens Brentano und August Bußmann zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Spross der Frankfurter Kaufmannsfamilie heiratete 1806 mit 29 Jahren und gegen den Willen der Familie die erst 16 Jahre alte August Bußmann. Die Hassliebe der beiden ist in zahlreichen Briefen und Beschreibungen dokumentiert. Sie trennen sich, vereinen sich, um dann nur noch schlimmer zu streiten, sind unfähig zusammen zu leben. 1810 reicht Brentano die Scheidung ein, 1811 macht er seinem Herzen Luft mit dem Gedicht „Wohlan – so bin ich Deiner los“.
Auch Annett Stoltze hat kein Glück mit ihrem Liebesleben. Die Schwester Friedrich Stoltzes verliebte sich in einen Freiheitskämpfer der Juli-Revolution 1830, den sie aber nie persönlich getroffen hatte. Er saß in Haft, sie unternahm mehrere Versuche, ihn zu befreien, stets vergeblich. Schließlich wurde Annett zu vier Wochen Arrest wegen „Konspiration“ verurteilt. Da sie zwischenzeitlich schwanger war von einem Mitstreiter, musste sie die Strafe erst nach der Geburt des Kindes, im Herbst 1835, absitzen. Sie erholte sich davon nie mehr so richtig und starb mit 27 Jahren im November 1840.
Doch es gab auch glücklichere Beziehungen. Ende des 16. Jahrhunderts verlobte sich der verwitwete Frankfurter Calvinist Johann Adolf von Glauburg mit Ursula Freher aus Nürnberg. Von ihm sind akribisch geführte Haushaltsbücher erhalten, von ihr Liebesbriefe, die sie dem „Herzlieben Junker“ im Jahr 1598 mit der Postkutsche sandte – „Euer getreue im Herzen – so lang ich leb“. „Es ist sensationell, so viele Details zu kennen aus einer Zeit, die so lange zurückliegt“, sagte Silke Wustmann. Über die Ehe selbst ist nicht viel bekannt. Dafür umso mehr über das glückliche Zusammensein von Otto von Bismarck und Johanna von Puttkammer. „Sie schätzten sich sehr, achteten und liebten einander“, sagte Silke Wustmann. Von 1851 bis 1859 lebte die Familie des späteren Reichskanzlers in Bockenheim. Johanna starb 1894 nach über 47 Jahren Ehe. Als Otto 1898 auf dem Sterbebett lag, lautete sein letztes Gebet: „Gib, dass ich meine Johanna wiedersehe“. hn

Frankfurter Liebespaare: Romantisches und Tragisches aus 1200 Jahren Stadtgeschichte von Silke Wustmann, ISBN: 978-3-938783-15-3, 16,90 Euro, B3 Verlag.

Von Freud und Leid früherer Liebespaare erzählte Silke Wustmann bei einer Lesung in der Stadtteilbücherei. Foto: Michael Sittig

Von Freud und Leid früherer Liebespaare erzählte Silke Wustmann bei einer Lesung in der Stadtteilbücherei. Foto: Michael Sittig