Der mühsame Weg zur Anerkennung

Der mühsame Weg zur Anerkennung

Geschichtsverein 50 Jahre Kinderbetreuung in der Pfingstbornstraße – Karin Ebert berichtet

Die Kinder der „eingeborenen“ Sindlinger gingen üblicherweise in die konfessionellen Kindergärten. Die städtischen Einrichtungen dagegen nahmen alle Kinder auf – die von Zugezogenen und auch von „erziehungsunfähigen Eltern“, wie das damals hieß, die vom Jugendamt zugeteilt wurden. „Unser Einzugsgebiet war vor allem die Hermann-Brill-Straße. In den großen Wohnungen lebten häufig kinderreiche Familien, deren Kinder zu uns kamen“, berichtete Karin Ebert beim Heimat- und Geschichtsverein.

Der hatte die ehemalige Leiterin der Kita Pfingstbornstraße in der Reihe „Zeitzeugen erzählen“ um einen Beitrag gebeten. Die städtische Kindertagesstätte, früher KT 31, heute Kinderzentrum Pfingstbornstraße genannt, besteht seit genau 50 Jahren. Ein Gutteil der Zeit, nämlich von 1972 bis 2013, erlebte Karin Ebert als stellvertretende Leiterin und Leiterin viele Aspekte des gesellschaftlichen Wandels mit.

Manches blieb ihr erspart – zum Beispiel die Anfangsjahre der KT 31 in Behelfsunterkünften. 1948 nämlich begann der Betrieb zunächst in Zeilsheim in der Käthe-Kollwitz-Schule, wechselte anschließend in den Sindlinger Bunker und danach in den Keller der Meister-Schule. 1954 bezog sie den Neubau in der Pfingstbornstraße, den die Stadt von einer Wohnungsgesellschaft gemietet hatte. „Aufgrund unseres Einzugsgebiets hatten wir nicht den besten Ruf“, sagte Karin Ebert. Manches unschöne Wort bekam sie zu hören, außerdem wurde die am Ortsrand im Grünen gelegenen Einrichtung nahezu monatlich von Einbrechern heimgesucht. Sogar zwei Brandstiftungen gab es. „Kinder sind Kinder. Jedes soll die bestmögliche Betreuung und Bildung erhalten“, beschrieb Karin Ebert das Credo. Um das publik zu machen, öffnete sich die Kita. „Alle sollen kommen und sehen, wie es bei uns zugeht“, schilderte sie die Bemühungen um eine bessere Akzeptanz. Gleichzeitig betrieb sie die Vernetzung mit Ämtern, Schulen und weitern Institutionen im Ort wie dem Kinder- und Jugendhaus und den konfessionellen Einrichtungen. Sie war mit der Kita bei allen Festen dabei: „Es ist wichtig, am Ortsleben teilzunehmen“, findet Karin Ebert. „Im Lauf der Zeit schließlich wurden wir als ’gute’ Einrichtung anerkannt“, berichtete sie: „Die Pionierarbeit hat sich gelohnt“.

Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Heute ist die Nachmittagsbetreuung stärker gefragt denn je. Nach der Schule in den Hort, das ist für viele Kinder berufstätiger Eltern selbstverständlich. „In meiner eigenen Kindheit ging es nach den Hausaufgaben raus zum Spielen. Die ganze Siedlung traf sich da, wir waren, oft 15, 20 Kinder“, beschrieb Karin Ebert, was in den 60-er und 70-er Jahren üblich war. Heute dagegen blieben viele Mädchen und Jungen allein mit ihren Smartphones zuhause im Zimmer. „Das geht bei uns in der Kita nicht“, sagte sie: Nach den Hausaufgaben müssen die Kinder Freizeit haben und spielen. Von daher sei das Kinderzentrum auch wichtig, um Gemeinschaft nahezubringen. Zugleich übernimmt die Einrichtung immer mehr Aufgaben, die ursprünglich in den Familien angesiedelt waren. „Wir erleben heute, dass viele Kinder ohne Basiswissen kommen. Sie können keinen Stift und keine Schere halten, keine Jacke anziehen – das müssen die Erzieher leisten“, schilderte Karin Ebert das umfangreiche Tätigkeitsfeld. Nicht zuletzt sollen den Kindern durch Ausflüge und Museumsbesuche Impulse gegeben werden, sollen sie sehen, was es alles gibt. „So entsteht Interesse“, weiß die Erzieherin: „Viele Eltern können das nicht leisten, weil Zeit und Geld fehlen und sie abends zu müde sind“.

So ist der Beruf heute wesentlich umfangreicher als in den 70-er Jahren. Hinzu kommen aufwendige Dokumentationspflichten, Berichte und Büroarbeit. Das Kinderzentrum ist täglich von 7.30 bis 17 Uhr geöffnet. 95 Kinder aus 25 Nationen bilden zwei Kindergarten- und drei Hortgruppen. hn

Karin Ebert arbeitete viele Jahre als Leiterin der KT 31, heute Kinderzentrum Pfingstbornstraße.  Foto: Michael Sittig

Karin Ebert arbeitete viele Jahre als Leiterin der KT 31, heute Kinderzentrum Pfingstbornstraße.
Foto: Michael Sittig

Zur Person

Karin Ebert wollte eigentlich Säuglingskrankenschwester werden. Doch nach einem Kurzschuljahr und der mittleren Reife war sie erst 16 Jahre alt und damit zu jung für diese Ausbildung. Sie musste zwei Jahre überbrücken. Das tat sie als Vorpraktikantin für den Erzieherberuf in Griesheim, wo sie eine kleine Hortgruppe leitete. Sie fand daran so viel Gefallen, dass sie den Beruf erlernen wollte. Sie absolvierte von 1968 bis 1970 eine zweijährige theoretische Ausbildung an der Fachschule für Pädagogik und war damit Kindergärtnerin. Anschließend erwarb sie durch ein Anerkennungsjahr in der KT 31 in Sindlingen und die abschließende Prüfung die Qualifikation einer staatlich anerkannten Erzieherin. Sie blieb in Sindlingen, zunächst als Leiterin einer Hortgruppe mit 25 Kindern zwischen sieben und 14 Jahren, ab 1972 als stellvertretende Leiterin und ab 1983 als Leiterin. 2013 verließ sie das Haus offiziell, um in die Freizeitphase der Altersteilzeit zu wechseln. Inoffiziell blieb sie noch, bis im Februar 2014 eine neue Leiterin kam.