Helfende Hand auf einem schweren Weg

Helfende Hand auf einem schweren Weg

Guttempler Gemeinschaft ehrt Jubilare

25 Jahre Mitgliedschaft: Darauf stoßen Jubilare gerne mit einem Gläschen Sekt oder Wein an. Nicht so Manfred Hartmann, Adolf Thoma, Lidia und Stefan Scholtyssik. Sie gehören zur Sindlinger Guttempler-Gruppe und leben alkoholfrei.

Die schiere Verzweiflung hat sie damals dazu getrieben, der Sucht zu entsagen. Der Weg in die Abhängigkeit ist ein langer, der Weg hinaus ebenfalls. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Dann nahm mich mein Meister an der Hand und ging mit mir zur Beratungsstelle“, erinnert sich Guttempler Horst Grün an den Wendepunkt in seinem Leben. „Man muss zu seiner Krankheit stehen“, sagt Manfred Hartmann. Anschließend erfordert es harte Arbeit und einen Lernprozess, damit umzugehen. „Es ist kein einfacher Weg. Es kostet Kraft. Heute bin ich froh, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Und in der Gruppe unterstützt man sich gegenseitig“, sagt er.

Die Hilfe für suchtkranke Menschen und Angehörige steht im Mittelpunkt aller Guttempler-Aktivitäten. „Abhängigkeit ist kein Ausdruck persönlicher Schwäche, sondern eine erfolgreich behandelbare Erkrankung. Eine Abhängigkeit betrifft jedoch nicht allein den suchtkranken Menschen, sondern beeinträchtigt immer auch die Entwicklung und den Zusammenhalt seiner sozialen Beziehungen, besonders der Familie“, erklärt Thomas Michels, Vorsitzender der Sindlinger Gruppe der weltweit verbreiteten Selbsthilfeorganisation. Deshalb ist Stefan Scholtyssik froh darüber, dass seine Frau Lidia ebenfalls auf Alkohol verzichtet. Gemeinsam geht es besser.

Darauf basiert auch das Konzept der Guttempler. „Geborgenheit in der Gemeinschaft und weltweite Verbundenheit“, erklärt Michels, eine neue, positive Gestaltung des Lebens soll möglich werden, ausgerichtet an den Guttempler-Grundsätzen Enthaltsamkeit, Brüderlichkeit und Frieden. Achtung und Toleranz gegenüber der Persönlichkeit des Anderen und Zuwendung für den Einzelnen sind Grundlagen des Umgangs miteinander. „Wir wollen denen zur Seite stehen, die unter den Folgen des Suchtmittelmissbrauchs leiden“, sagte Michels: „Wir wissen selbst darum, wie gut es tut, eine helfende Hand zu haben“. „Man hält sich gegenseitig. Einer allein geht kaputt“, ergänzt Hartmann.

Die Guttempler-Gruppe Sindlingen feiert ihr 25-jähriges Bestehen am 2. Juni. Die vier Jubilare besuchten Gruppen in anderen Orten und wechselten nach Gründung des Sindlinger Ablegers hierher. Sie trafen sich bis vor einigen Jahren wöchentlich im katholischen Gemeindehaus St. Kilian. Als der Raum wegen der Erweiterung der Kindertagesstätte nicht mehr zur Verfügung stand, wechselten sie ins katholische Gemeindehaus St. Dionysius. Während im ersten Stock der Männerchor Germania probt, singen im Erdgeschoss etwa ein Dutzend Frauen und Männer das Guttempler-Lied: „Mancher steht einsam am Wege herum. Reich ihm die Hand, Mensch sei nicht so dumm. Denk dran, auch Du warst einmal allein, so muss es wirklich nicht sein – Wir sind Guttempler, wir sind es gerne.“

Ständige Wachsamkeit ist der Preis

In den Gesprächen geht es um Sucht, aber nicht nur. „Der Alkohol ist nicht mehr so vordergründig“, sagt Adolf Thoma. Die Gedanken kreisen schon lange nicht mehr darum, sondern um die Weiterentwicklung des alkoholfreien Lebensstils. Der fällt heute leichter als früher. „Heute gibt es überall alkoholfreie Getränke“, sagt Hartmann. Allerdings ist ständige Wachsamkeit der Preis des Lebens ohne Abhängigkeit. „Beim Kauf von Eis oder Kuchen muss man aufpassen, dass kein Alkohol drin ist, beim Essengehen frage ich immer, ob welcher in den Soßen ist“, erzählt er.

Die Guttempler betrachten sich als Geschwister und sprechen sich auch so an. Speziell die Sindlinger Gruppe ist schon lange miteinander vertraut. Die Mitglieder kommen aus der Umgebung, aus Zeilsheim und Eckenheim, Raunheim und Liederbach. Aus Anlass der Jubilarenehrung deckten sie die Tische festlich und gönnten sich ein gemeinsames Essen, dazu Kaffee, Tee und alkoholfreie Getränke. hn

Seit 25 Jahren gehören (von links) Manfred Hartmann, Lidia und Stefan Scholtyssik und Adolf Thoma zu den Guttemplern. Foto: Heide Noll

Seit 25 Jahren gehören (von links) Manfred Hartmann, Lidia und Stefan Scholtyssik und Adolf Thoma zu den Guttemplern. Foto: Heide Noll