Kleingärtnerverein Sindlingen
Hier herrscht aktive Nachbarschaft
Kein Strom, kein Kanal, aber eine starke Gemeinschaft
Von Heide Noll
Von außen ist außer ein paar Fahnen nicht viel zu sehen. Grüne Hecken beschirmen ein Kleinod zwischen Sportplatz und der Straße zur Internationalen Schule: die Anlage des Kleingärtnervereins Sindlingen.
38 Parzellen, die meisten exakt 302 Quadratmeter groß, finden sich innerhalb des Zauns. Die Satzung schreibt vor, dass ein Drittel des Gartens bebaut, ein Drittel Rasen und ein Drittel Nutzland sein muss. Außerdem stehen drei vereinseigene Obstbäume in jedem Garten. Trotzdem sieht keiner aus wie der andre. Hier ziehen prachtvolle Stauden die Blicke auf sich, dort reifen Himbeeren, drei Schritte weiter summt und brummt es in blühenden Wicken; ein selbst gebautes Insektenhotel bietet den Bienen und Hummeln ein bequemes Quartier ganz in der Nähe. Fast jeder Gärtner kultiviert Johannisbeeren und verschiedene Gemüsepflanzen. Hecken zwischen den Gärten sind nicht nur verpönt, sondern sogar verboten. Auch Zäune sucht man innerhalb der Anlage vergeblich. „Zwischen den Gärten ist alles offen“, sagt Vorsitzender Norbert Richmann. Schließlich ist man ein Verein. Durch den Verzicht aufs Trennende entsteht der Eindruck, in einem großen, vielfältig gegliederten und gestalteten Garten zu stehen. Gekieste Wege führen hindurch. Sie sauberzuhalten, „ist eine Sysiphusarbeit“, seufzt der Vorsitzende. Auch sonst ist Eigenhilfe gefragt. Reihum ist jeder mal dran, das Toilettenhäuschen neben dem Vereinsheim zu putzen und die Handtücher zu waschen. Einen Kanalanschluss gibt es nicht, nur eine Sickergrube. Auch auf Strom müssen die Kleingärtner verzichten. „In den Gärten brauchen wir auch gar keinen“, sagen Richmann und sein Vertreter Wolfgang Müller. Aber fürs Vereinsheim hätten sie schon gern welchen. Doch ein Stromkabel vom Vereinsheim der Viktoria bis hierher zu verlegen, übersteigt die finanziellen Möglichkeiten.
Zeitweise behalfen sich die Kleingärtner mit Solarzellen auf dem Dach. Sie wurden zweimal gestohlen, danach ließen sie es bleiben. Nun wollen sie ein Aggregat anschaffen, um bei Veranstaltungen wie Sommer- oder Erntedankfest Strom zu haben. „Strom, Kanal und der Zufahrtsweg sind unsre Sorgenkinder“, erklären die Vorstandsmitglieder. Der Zufahrtsweg zum Haupteingang ist in einem sehr schlechten Zustand. Außerdem werden die vereinseigenen Parkplätze regelmäßig von Privatleuten zugestellt, die weiter hinten Richtung Bahn private Gärten haben. „Wir haben jetzt unsere Plätze, für die wir Pacht bezahlen, mit Seilen abgesperrt. Aber das hilft auch nichts. Die Seile sind uns gestohlen worden, und die Absperrungen werden regelmäßig umgefahren“, sagt Richmann. Außerdem werde häufig massenhaft Müll abgeladen. Die Situation sei sehr unbefriedigend. Gleichwohl sei die Zusammenarbeit mit der Polizei gut, sagt Richmann.
Zumindest innerhalb des Zauns ist die Welt in Ordnung. Wasser ist verfügbar, auf jeder Parzelle gibt es einen Wasserhahn. Das Gießen macht also keine Umstände. „Nachbarschaftshilfe wird groß geschrieben“, betont Müller. Wer in Urlaub fährt, muss sich um die Tomaten nicht sorgen. Der Nachbar kümmert sich drum – aktive Nachbarschaft im Wortsinn.
Auch sonst steht Gemeinschaft hoch im Kurs. Die Gärtner beteiligten sich gerne an der jährlichen Busfahrt, feiern Garten-, Sommer-, Erntedank- und Oktoberfest und haben ihren Stand bei Ranzenbrunnenfest und Weihnachtsmarkt über die Jahre von drei auf zehn Meter vergößert. „Besonders beliebt sind unsre Steakbrötchen“, sagt Norbert Richmann.
Tagsüber ist nicht viel los in den Gärten, wenn auch fast immer irgendwo irgendjemand irgend etwas tut: jäten, mähen, pflanzen, gießen. Knapp die Hälfte der Mitglieder ist im Rentenalter und kann sich die Zeit frei einteilen. Abends und am Wochenende finden sich auch die übrigen Mitglieder ein. Überall steigen dann die Rauchsäulen von den Grills auf. Getränke kühlen in Kühlboxen, Wasserbecken und Erdlöchern. Wenn es dunkel wird, glimmen Gaslaternen, Solarlampen und Kerzen auf. Familiär geht es zu, man kennt sich – zum Teil seit vielen Jahren. Die meisten Kleingärtner stammen aus Sindlingen, die Fluktuation ist gering. Wer erst mal einen Garten hat, hegt und pflegt ihn. „Freiwillig gibt ihn keiner ab“, sagt Norbert Richmann.
Hier ist für Diebe nichts zu holen
Vielleicht ist es ein Vorteil, dass der Kleingärtnerverein keinen Stromanschluss hat. Ohne Strom kein Fernsehen, keine Satellitenschüsseln auf den Dächern, keine Kühlschränke – keine Diebe. Oder nur wenige. Durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr kommt es vor, dass in eine der Hütten auf dem Gartengelände eingebrochen wird. Die Brandstifter, die seit geraumer Zeit in Sindlingen zugange sind, haben allerdings auch auf dem Vereinsgelände zugeschlagen. Zwei Hütten brannten im vergangenen Jahr ab.
Auch in der Bauvereinssiedlung sowie in den Wingerten hat es schon gebrannt. Der Sindlinger Regionalrat hat sich daher mit dem Thema befasst und ein Flugblatt mit Tipps für die Kleingärtner erstellt. Gartenhütten sollten ausreichend versichert und gesichert sein, raten Albrecht Fribolin und Michael Konstantinou vom Regionalrat. Von hochwertigen Gartengeräten sollten die Besitzer Gerätebezeichnungen und -nummern notieren und Fotos machen. Bei Gartenhütteneinbrechern begehrt sind Spirituosen, deshalb sollten besser keine dort gelagert werden. Bei längerer Abwesenheit sollten Einstiegshilfen wie Leitern, Kisten oder Mülltonnen weggeschlossen werden. Hilfreich sind auch sAbsprachen mit Gartennachbarn. Wenn dann trotzdem etwas passiert, sollte sofort die Polizei (Telefon 110) verständigt werden. Bevor sie kommt, soll nichts verändert oder aufgeräumt werden, um keine Spuren zu verwischen. Ferner ist eine Liste mit den gestohlenen Sachen anzufertigen und die Versicherung zu informieren. Weitere Informationen gibt es beim 17. Polizeirevier unter der Nummer 755 11 70 0, der polizeilichen Beratungsstelle Frankfurt, Telefon 755 55 55 5 und beim Präventionsrat der Stadt Frankfurt unter der Nummer 212 35 44 3. hn
Geplant waren 156 Gärten
38 Gärten umfasst die Anlage des Kleingärtnervereins Sindlingen. Ursprünglich sollten es mal 156 werden. Die Flächen westlich des Sportplatzes wurde 1976 als Ersatzanlage für das Areal am Main erschlossen, auf dem heute die Kläranlage mit Schlammverbrennung steht. „Auch auf der anderen Seite der Straße zur Internationalen Schule und bis an die Bahnschranke sollten Kleingärten entstehen“, weiß Vorsitzender Norbert Richmann. Dann ging der Stadt das Geld aus – und die Zahl der Kleingärten blieb überschaubar. Der kleinste Verein in Frankfurt sind die Sindlinger aber nicht. In Zeilsheim gibt es eine Anlage mit nur 24 Gärten. Und wie die großen, etwa am Höchster Stadtpark oder in Griesheim mit bis zu 400 Gärten, sind die Sindlinger der Stadtgruppe Frankfurt angeschlossen und Mitglied im Landesverband der Kleingärtner. Dort können sie Lehrgänge besuchen und sich mit Gleichgesinnten aus anderen Anlagen austauschen. Hilfe für die Gartenpraxis haben sie in den eigenen Reihen. Halina Richmann ist ausgebildete Fachberaterin und berät die Gärtner in allen Fragen rund um den Garten. hn
Norbert Richmann in seinem Element. Ein Kleinod hat er sich mit seinen Freunden geschaffen.
Ein schmuckes Vereinsheim steht auf dem Gelände. Leider fehlt immer noch der Strom.
Ein kleines Naherholungsgebiet für die ganze Familie. Janik spielt im Sandkasten.
Sehr gepflegt ist die Kleingartenanlage am Sportplatz.
Fotos: Sittig