Gemeinschaft leben wollen

Evangelische Gemeinde

Gemeinschaft leben wollen

Beim Gemeindefest fragt keiner nach dem Woher

Von Konstantin Sacher

„Was? Eine Ausländerin heiratet Boas? Aber er ist doch ein feiner und angesehener Mann!“ hallte es durch die evangelische Kirche. Und die Antwort kam prompt: „Na klar! Warum denn auch nicht?! Sie ist eine tolle und fleißige und fromme Frau. So eine kannst du hier lange suchen!“
Menschen ziehen von Land zu Land. Dadurch werden sie zu Ausländern. Das ist heute so und das war vor 2500 Jahren auch nicht anders. In dieser biblischen Zeit spielt nämlich die Geschichte von Rut. Sie stand im Zentrum des Gottesdienstes zum Gemeindefest der evangelischen Gemeinde Sindlingen. Dass jeder Mensch zum Ausländer wird, sobald er seine Heimat verlässt, das ist klar. Aber was ist das richtige Verhalten, wenn Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen auf einmal zusammen leben? Na, dann finden sie am besten heraus, was sie alles gemeinsam haben. Und sie merken, es ist viel mehr als das, was sie voneinander trennt. Das weiß jeder, der Freunde aus einem anderen Land hat.
Und das wusste auch schon Rut. Ungefähr 200 Gottesdienstbesucher lauschten, als der berühmteste Satz Ruts gesagt wurde: „Wo du hingehst, da will auch ich hingehen, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Denn dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“ Das soll Rut einst zu ihrer Schwiegermutter gesagt haben. Beide waren aus unterschiedlichen Völkern. Sie wollten und mussten aber zusammenhalten. Die Nationalität oder gar die Religion des anderen spielte dabei keine Rolle.
Egal, was wir Menschen uns alles einreden, was uns trennt und voneinander fernhält: Am Ende war es doch der gleiche Gott, der uns geschaffen hat. Das war die Essenz des Gottesdienstes und das war auch das Motto, unter dem das ganze Fest stand. So hatte es auch Pfarrer Ulrich Vorländer am Ende des Gottesdienstes zu allem Besuchern gesagt: „Gehen sie aufeinander zu und sprechen sie miteinander. Auch wenn sie sich noch nicht kennen.“ Offen sein für alle Menschen, auch und besonders für die fremden, das bedeutet Gemeinschaft leben zu wollen. Und ein Gemeindefest ist ja auch nichts anderes als der Ort, an dem die Gemeinschaft im Stadtteil mal so richtig ausgelebt werden kann.
So waren das ganze Fest und seine Besucher bunt gemischt. Gemeindemitglieder der evangelischen, der katholischen sowie solche, die zu keiner der Gemeinden gehören, feierten fröhlich zusammen. Und auch die Kinder haben erlebt, was für eine tolle Erfahrung es ist, gemeinsam etwas vorzuführen. Die Kinder de Kindergartens haben zusammen in der Kirche auf herzzerreißend süße Weise das Kindermutmachlied gesungen. „Wenn einer sagt: „Ich mag dich, du, ich find‘ dich ehrlich gut! Dann krieg‘ ich eine Gänsehaut und auch ein bisschen Mut.“, heißt es darin. Und Gänsehaut haben die Kinder bestimmt alle bekommen bei so einem lauten und kräftigen Applaus in der Kirche.
Nach dem Gottesdienst wurde vor dem Gemeindehaus in der Gustavsallee weitergefeiert. Und wem das Aufeinanderzugehen noch ein bisschen schwerfiel, dem wurde es ab 15 Uhr leichter gemacht. Denn wie kommt man besser ins Gespräch als bei einer Tasse heißem Kaffee und einem Stück Kuchen? Außer vielleicht noch bei einem Glas Wein oder Bier und guter Musik? Für alles war gesorgt. Es gab eine große Auswahl an Kuchen und später dann auch Handkäs, Salate und Gegrilltes. Alles selbstgemacht und richtig lecker. Und, wie gesagt, zu trinken gab es auch genug. Der Getränkestand war bei den sommerlich heißen Temperaturen natürlich besonders beliebt. Und während die Eltern alte Bekanntschaften pflegten oder neue Bekanntschaften schlossen, waren die vielen Kinder vor dem Kindergarten zu Gange. Das Team des Gemeindekindergartens versorgte die Kleinen prächtig. Sie konnten es sich bei meditativer Musik im Wohlfühlzelt gutgehen lassen, Freundschaftsbändchen knüpfen oder einen Vertrauenspfad laufen. Oder einfach nur auf dem schönen Außengelände des Kindergartens spielen.
Und später, als es schön dämmerte und die letzten Gäste gegangen waren, da versammelten sich die fleißigen Helfer aus der Gemeinde, um alles aufzuräumen. Aber irgendwie fiel es niemandem schwer, denn für so ein schönes Fest arbeitet man doch gerne.

 

Eine Bibelgeschichte spielten Kinder beim evangelischen Gemeindefest in der Kirche.

Eine Bibelgeschichte spielten Kinder beim evangelischen Gemeindefest in der Kirche.

Ein Platz im Schatten war hoch willkommen beim evangelischen Gemeindefest hinter der Kirche.

Ein Platz im Schatten war hoch willkommen beim evangelischen Gemeindefest hinter der Kirche.

Zauberer Glenn Gareau verblüffte sein junges Publikum ein ums andere Mal. Fotos: Achim Schulz

Zauberer Glenn Gareau verblüffte sein junges Publikum ein ums andere Mal. Fotos: Achim Schulz