Wohnungsbau: Große Skepsis im Stadtteil

Wohnungsbau

Große Skepsis im Stadtteil

SPD-Bürgergespräch zu den Ideen aus dem Römer

2000 neue Wohnungen, 4000 neue Sindlinger? Darüber muss gesprochen werden, findet die SPD. Ihre Stadtverordnetenfraktion und der Ortsverein Sindlingen luden deshalb Anfang März zum „Sindlinger Gespräch“ mit dem Thema Baugebiet ein (Siehe auch die weiteren Texte, die nach einem Gespräch mit CDU-Ortsbeirat Albrecht Fribolin Ende Februar entstanden).
Rund 100 Bürger drängten sich im Saal des evangelischen Gemeindehauses. Ihnen gegenüber saßen Wulfila Walter, Büroleiter und persönlicher Referent von Planungsdezernent Olaf Cunitz, sowie Werner Buch und Karl-Heinz Stab vom Stadtplanungsamt. SPD-Stadtverordneter Sieghard Pawlik als Gastgeber moderierte, SPD-Ortsbeirat Claus Lünzer und die Vorstände des SPD-Ortsvereins, Patrick Hübner und Sebastian Kasten unterstützten ihn.

Das Vorhaben

„Es ist unser Ziel, möglichst schonend neue Wohngebiete zu entwickeln“, sagte Wulfila Walter. Nicht auf der grünen Wiese, sondern mit Anschluss an Ortskerne und Infrastruktur sollten sie entstehen. „Sindlingen-West“ (westlich der Straße zur Internationalen Schule) sei schon lange als potenzielles Baugebiet bekannt, sagte Werner Buch. Neu sei die Idee, zwischen dem früheren Farbwerksparkplatz und der Farbenstraße ebenfalls Wohnhäuser zu errichten und dafür Sportplatz, Tennishalle, Parkplätze und Kleingärten zu verlegen. Das Gelände sei gut für Wohnungen geeignet, weil es eine gute Anbindung an die S-Bahn habe und als „Lückenschluss zwischen Sindlingen-Süd- und -Nord eine verbindende Mitte“ schaffen könne. Es gehöre zu zwei Dritteln der Stadt, die Fläche zwischen den Gleisen dagegen sei zu 90 Prozent in Privatbesitz. Gewünscht würden wenigstens 30 Prozent geförderte Wohnungen mit Mieten zwischen fünf und sieben, acht Euro je Quadratmeter. „Wir wollen darüber reden, wie Sie zur Verlagerung der Kleingärten und Sportplätze stehen und was Sie bewegt, wenn da Wohnungsbau entsteht“, sagte Buch.

Meinungen der Bürger

Das ließen sich die Besucher nicht zweimal sagen. „Es ist nicht die Frage ob, sondern wie gebaut wird“, sagte eine Frau: „Ein schönes gemischtes Baugebiet mit Gärten ist okay, aber wir wollen kein Pendant zur gegenüberliegenden Siedlung, die eine Problemzone ist“. „Es ist doch auch die Frage, ob wir bauen“, fand ein Mann: „Sindlingen-Nord hat keine Infrastruktur dafür. Der Stadtteil wird nicht zusammenwachsen durch die Baumaßnahme, weil er durch den Autobahnzubringer getrennt wird. Die Straße und der Kreisel sind ohnehin überlastet“. Eine Frau ergänzte: „Wir bekommen höchstens einen dritten Ortsteil“. Sie befürchtet, dass ein großes, dichtes Neubaugebiet lediglich Schlafstätte für Mainz, Wiesbaden und die Frankfurter Innenstadt werde. Ein Umweltschützer wies darauf hin, dass es sich bei dem Gelände um das Rückzugsgebiet für eine der letzten Populationen des Kornhamsters handle. „Wer bezahlt die Verlagerung des Sportplatzes? Und was ist mit dem Kreisel? Der hat einen Straßenzustand wie früher in der DDR, in den Löchern können Sie Kinder baden“, sagte ein Mann und erhielt dafür kräftigen Applaus. Auch die anderen Straßen sind in teils erbärmlichen Zustand. „Überall fehlt’s“, sagte der Sprecher. Eine Frau aus der Albert-Blank-Straße klagte: „Wir sind gebrannte Kinder. Die Internationale Schule wurde ohne Anbindung einfach hingestellt. Wir hatten zwei Jahre lang Baufahrzeuge durch die Wohnstraße. Das brauchen wir nicht nochmal!“ „Ist der südliche Ort dann überhaupt noch bewohnbar?“ fragte ein Mann: „Bei bestimmten Wetterlagen ist es schon heute nicht mehr auszuhalten.“ Würde durch neue Häuser die Frischluft aus dem Taunus blockiert und der Gestank aus den Entsorgungsanlagen des Industrieparks nicht mehr weggeblasen, „wäre das eine große Verschlechterung für den alten Ortskern“.
Sieghard Pawlik fand es „schwer vorstellbar“, Sportplatz, Kleingärten und so weiter für viel Geld um „500 bis 800 Meter“ zu verlegen. Seiner Ansicht nach sollte nicht entlang der Farbenstraße gebaut werden, sondern nur zwischen den Bahnlinien. Und dann müsse über die Art der Bebauung gesprochen werden. „Wir brauchen auch Wohnungen für junge, gut Ausgebildete“, sagte er: „Sie gehen weg, weil sie hier nicht Passendes finden“.

Fazit

Kurzum: Es herrschte große Skepsis gegenüber den Plänen im Saal. Sieghard Pawlik machte „eine gewisse Enttäuschung gegenüber der Stadt“ im Stadtteil aus. „Sie stehen in der Bringschuld, Vertrauen zu schaffen“, gab er den Planern mit auf den Weg. Die Sanierung der holprigen, rein städtischen Silostraße wäre ein guter Anfang. „Die Stadt sollte dafür sorgen, dass sie gemacht wird, statt Tempo-30-Schilder aufzustellen“, sagte er. Eine Frau erinnerte daran, dass auch beim Bau der Internationalen Schule Versprechen nicht eingehalten worden seien. „Ich war mehrmals wegen des Verkehrs in der Bürgersprechstunde. Immer hieß es: Ja, so kann es nicht bleiben. Aber nichts ist geschehen. Das hier klingt ähnlich. Wir werden früh beteiligt, aber wenn wir nicht dranbleiben, wird uns das Selbe wieder passieren“, fürchtete sie. Sieghard Pawlik schlug daher am Ende vor, eine Gruppe zu bilden, die den gesamten Prozess begleitet – falls es überhaupt dazu kommt, dass gebaut werden darf. Wer das Risiko nicht scheue, eventuell umsonst aktiv zu werden und in einer solchen Gruppe mitarbeiten möchte, solle sich mit ihm oder dem SPD-Ortsbeirat Claus Lünzer in Verbindung setzen. hn