Wohnungsbau: Leserbrief

Leserbrief

Zum möglichen Neubaugebiet westlich und südlich der Hermann-Küster-Straße

Brauchen wir das Neubaugebiet Sindlingen-Nord?
Ich bin in Sindlingen geboren und wohne hier seit über 65 Jahren. Die Worte der Kommunalpolitiker von heute ähneln den Worten der Politiker von 1965 bis 1975. Damals hat man Sindlingen ebenfalls alles Mögliche versprochen, gehalten hat die Politik nur wenig. Statt davon zu profitieren, dass zwei Drittel der Hoechst AG/des Industrieparks auf Sindlinger Gemarkung liegen, wurde die Gewerbesteuer für anderes verwendet. Die erhaltenswerten Ortskerne von Alt-Sachsenhausen, Griesheim, Nied, Sossenheim, Alt-Höchst, von Sindlingen und anderswo wurden vernachlässigt.
Durch den Mietspiegel werden die westlichen Ortsgebiete zusätzlich massiv abgewertet. Es müssen wegen „einfacher und sehr einfacher Wohn- und Gewerbelagen“ Preisabschläge hingenommen werden. Es entstehen Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen. Es fehlt eine gute Durchmischung aller Bürgerschichten.
Zurzeit wohnen in Sindlingen knapp 9000 Einwohner. Als die Wohnungen in der Hermann-Küster-, Hugo-Kallenbach-, Albert-Blank- und Hermann-Brill-Straße fertiggestellt waren, waren es etwa 15000 Bewohner. Das heißt, heute stehen Häuser und Wohnungen leer oder es leben ältere Menschen darin. In absehbarer Zeit werden diese Wohnungen frei werden. Es kommt zu einer Immobilien- und Wohnungsblase. Vor diesem Hintergrund sollte eine Gebiets- und Wohnreform angestrebt werden, die hinterfragt, ob neuer Wohnungsbau hier und in anderen Stadtteilen gerechtfertigt ist.
Kommt das Baugebiet, stellt sich die Frage: Ist der alte Ortsteil noch bewohnbar? Noch kann ein Luftaustausch erfolgen. Bauwerke entlang der Farbenstraße würden wie eine Wand wirken. Der Luftaustausch im Lachgraben und im alten Ortskern wäre durch die Einkesselung Sindlingens durch Industriebetriebe, Klärwerke, Bahnstrecken und den Autobahnzubringer nur noch stark eingeschränkt möglich. Außerdem lassen bestimmte Wetterlagen die Werte der Feinstaubbelastung in unserem Wohnbereich stark nach oben schnellen. Ein Baugebiet würde das alles noch verstärken. Sindlingen braucht seine Äcker als „grüne Lungen“ zur Lufterholung.
Ich wünsche mir Ortspolitiker, Stadtverordnete, Landespolitiker, die mehr Verantwortung übernehmen und Neubaugebiete besser überdenken. Wenn es so wäre, wie der Stadtbezirksvorsteher in seinem Leserbrief in der März-Ausgabe des „Sindlinger Monatsblatts“ schreibt, müssten durch die neu entstandene Parkstadt im Silogebiet aufstrebende Geschäfte entstehen. Das ist aber nicht erkennbar, auch ansatzweise nicht.
Es gibt noch viele andere, Gründe, die gegen ein solches Baugebiet sprechen. Ich würde mich freuen, wenn viele Sindlinger Bürger ihre Meinung dem Stadtbezirksvorsteher, den Stadtverordneten, dem Magistrat und den politischen Parteien kund täten. Viele Magistratsmitglieder kennen Sindlingen überhaupt nicht, sie wissen auch nicht, welche Probleme es hier und rund um den Ortsteil im Frankfurter Westen gibt.
Mein Vorschlag: Die Politik soll endlich anfangen, die Ortschaften, Schulen, Straßen und soziale Einrichtungen zu erhalten, zu erneuern und zu modernisieren. Dadurch werden viele Arbeitsplätze für lange Zeit gesichert. Nebenbei bleibt die Natur erhalten und kommende Generationen können in einer gesünderen Umwelt leben.
N. Huthmacher