Die Pläne vom Park sind passé

Die Pläne vom Park sind passé
Runder Geburtstag – Vor 90 Jahren gründete sich der Sindlinger Kleingartenverein

Wer? Warum? Das ist nicht überliefert. Aber dass ihr Verein 1925 gegründet wurde, ist sicher. Deshalb feiern die Mitglieder des Kleingartenvereins Sindlingen in diesem Jahr ihr 90-jähriges Bestehen.
1925 war Sindlingen ein rapide wachsendes Dorf. Die Farbwerke heuerten immer mehr Arbeiter an, die Wohnungen in den Ortschaften rund ums Werk brauchten. Obwohl mit der Bauvereinssiedlung und den Kolonien in Zeilsheim und Unterliederbach Wohnraum geschaffen wurde, blieb die Lage angespannt und viele Menschen hausten beengt und ungesund.
Schon in einer früheren Phase der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts waren parzellierte „Armengärten“ entstanden, die dem Hunger und der Verarmung der Industriearbeiter gegenwirken sollten. Bis Mitte des Jahrhunderts fanden sich in vielen Städten entsprechende Anlagen, in denen die Pächter gegen geringes Entgelt Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anbauten.
In Frankfurt entstand 1915 die Stadtgruppe der Kleingärtner, in Sindlingen gründete sich 1925 ein Kleingartenverein und wurde auch gleich Mitglied in der Stadtgruppe. Die ersten Gärten lagen auf dem Hochufer des Mains in den Wingerten. Zeitweise müssen es mehr als 150 Parzellen gewesen sein.
Wer die Gründer waren, wie viele Mitglieder der neue Verein zählte und was sie anbauten, ist nicht überliefert. Ebensowenig besitzen die heutigen Vorstandsmitglieder Fotos oder sonstige Erinnerungsstücke an die ersten 50 Jahre. Immerhin lässt sich folgern, dass die Fläche in städtischem Besitz war, denn die Stadt kündigte den Gärtnern 1974 den Pachtvertrag. Sie wollte das Klärwerk erweitern. Zum Ausgleich erhielt der Verein ein Gelände an der Farbenstraße, im Anschluss an den Sportplatz. „Dort sollte ein großer Kleingartenpark entstehen. 139 Gärten sollten sich bis nach Hattersheim hinziehen“, wissen Wolfgang Müller, Halina Richmann und Helmut Freyer vom heutigen Vorstand. Im ersten Schritt 1975 wurden 38 im Schnitt 320 Quadratmeter große Gärten parzelliert, eine Wasserleitung verlegt und ein Zaun drumherum errichtet. Eine Stromleitung spendierte die Stadt nicht, nur einen Zuschuss zu einer Solaranlage auf dem Dach des Vereinsheims. „Nachdem sie gestohlen wurde, haben wir sich nicht mehr ersetzt“, sagt Freyer. Aus Geldmangel wurde der Plan des Kleingartenparks nie verwirklicht. So blieb es bei 40 Gärten.
Deren Besitzer verzichteten auf Zäune innerhalb der Anlage. Nur flache Kantsteine trennen die einzelnen Parzellen voneinander. Zunächst legten die Gärtner ihre Beete an, dann bauten sie nach und nach in viel Eigenarbeit aus vorgefertigten Teilen ihre Hütten. Strom haben sie immer noch nicht. Dafür jedoch ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl und Freude am Feiern. Ende Juli begingen sie das neunzigjährige Bestehen mit Kaffee und Kuchen, Kinderspielen und einer Tombola. „Wir danken den Sindlinger Betrieben, die dafür so großzügig gespendet haben“, sagt Halina Richmann: „Jeder hat etwas gegeben.“
Sie hoffen, auch in Zukunft gemeinsam in ihrer Anlage feiern zu können. Die Vorstellungen des Frankfurter Planungsdezernenten Olaf Cunitz, ihre Anlage ein zweites Mal zu verlegen, um an der Stelle Wohnungen zu bauen, lehnen sie ab. „Das macht gar keinen Sinn“, findet Vorsitzender Wolfgang Müller. „Wir erfüllen schließlich auch eine wichtige Funktion als ’grüne Lunge’“, sagt zweite Vorsitzende Halina Richmann. Die meisten Mitglieder lebten in Etagenwohnungen, der Garten sei für sie „die einzige Möglichkeit, mal raus und auf ein Stück eigenes Land zu kommen“, spricht Kassierer Helmut Freyer eine der sozialen Komponenten an. hn

 

Wiesenidylle bei Gabriele und Wolfgang Schipper.

Wiesenidylle bei Gabriele und Wolfgang Schipper.

Die Ruhe in seiner grünen Oase genießt Karl-Heinz Gerber. Fotos: Michael Sittig

Die Ruhe in seiner grünen Oase genießt Karl-Heinz Gerber. Fotos: Michael Sittig