Im Winter auf die Schneekoppe

Im Winter auf die Schneekoppe

Sindlinger Läufer Sie wandern auf wenig bekannten Wegen und trotzen Eis, Schnee und Wind

Eine bizarre Landschaft durchliefen die „Sindlinger Läufer“ in Tschechien. Hohe Felsnadeln, Terrassen und Schluchten bilden die „Adersbach-Weckelsdorfer Felsenstadt“. Kreuz und quer, hinauf und hinunter über steile Treppen erkundeten die sieben Wanderer die ungewöhnliche, 17,7 Quadratkilomter große Sandsteinformation.

Die „Sindlinger Läufer“ sind ein Freundeskreis, der sich jeden Montag zum gemeinsamen Dauerlauf trifft. Seine Gründer begannen damit in den späten 70-er Jahren zur Vorbereitung auf das Sportabitur. Ab 1980 kamen Winter- und Hochgebirgstouren hinzu. Vergangenes Jahr zum Beispiel wanderten sie von Kamm zu Kamm durch die Karpaten (wir haben berichtet). Ende Februar 2016 machten sie sich wieder auf nach Osten. Das Riesengebirge mit der 1602 Meter hohen Schneekoppe kennen sie schon, bestiegen den höchsten Punkt 1992 von Norden, von Polen, aus. Diesmal wollten sie es von Osten nach Westen durchlaufen. „Das sind aber nur 30 Kilometer. Das reicht nicht für fünf Tage“, sagte Edwin Reinhardt und suchte nach Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. So stieß er auf die südöstlich gelegene Felsenstadt.

Per Nachtzug nach Prag und weiter mit Schnellzug und schließlich Bummelbahn nach Teplice erreichten Reinhardt, Bernd Krämer, Markus Werner, Markus Neu, Ralf Kronz, Hubert Huthmacher und Keven Jäger die östliche Grenze des Naturschutzgebiets in 14 Stunden. Nach einer ersten, 16 Kilometer langen Wanderung übernachteten sie und verbrachten den gesamten nächsten Tag in dem felsigen Labyrinth. „Es gibt dort richtige Wege, Stufen und Treppen. An manchen Stellen ragen die senkrechten Wände 20 Meter hinauf und es ist eng wie in einem Kamin“, schildert Markus Neu seine Eindrücke. Im Sommer überlaufen, trafen die Wanderer in dieser unwirtlichen Jahreszeit nur wenige andere Menschen. Und sie waren froh über ihre gute Ausrüstung mit Schneeschuhen und Harsch-Eisen: „So konnten wir auch vereiste Stellen passieren, an denen andere umkehren mussten“, sagt Neu. „Das war alles so beeindruckend, dass wir nicht so weit gekommen sind wie gedacht“, berichtet Edwin Reinhard. Erst am Abend verließen die Sindlinger die Felsenstadt und übernachteten in Adersbach. Um die verlorene Zeit wettzumachen, stiegen sie anderntags in einen Bus und fuhren näher heran ans Riesengebirge.

Dort begann die echte Herausforderung. „In einem Rutsch sind wir 800 Höhenmeter hoch, zum Teil über sehr steile Stücke“, erzählt Hubert Huthmacher. Schnee, Eis und Wind erschwerten den Aufstieg zur Schneekoppe. „Je höher wir kamen, desto windiger und stürmischer wurde es“, sagt Neu und ist dankbar über die Funktionskleidung, die die Wanderer vor dem Ärgsten schützte. „Mit 70 bis 80 Kilometern pfiff der Wind immer von einer Seite, das ist kurz vorm Umfallen“, erklären die Bergwanderer: „Diese Körperseite war mit einer millimeterdicken Eisschicht bedeckt“. Ohne die Schneeschuhe mit den Eisen unten dran wären sie nicht bis zum Gipfel gekommen. „So starken Wind und so extreme Kälte haben wir bislang selten gehabt“, bilanziert Bernd Krämer.

Die Wanderer übernachteten in bewirtschafteten Berghütten, „Bauten“ genannt. In der größten, der Wiesenbaute, gibt es sogar eine eigene Brauerei. „Dort habe ich warmes Bier bekommen“, berichtet Edwin Reinhard. Ein Aussprachefehler war schuld daran, dass er statt schwarzem gewärmten Gerstensaft erhielt.

Am nächsten Tag tappten die Wanderer im Nebel. „Es gab keinen Horizont mehr. Manchmal konnte man nicht mehr als drei, vier Meter weit sehen. Gut, dass wir GPS und Kompass dabei hatten. Man verliert unheimlich die Orientierung“, beschreibt Hubert Huthmacher das Laufen im weißen Nichts. Die Winterläufer passierten die Elbquelle, die aber unter Schnee und Eis unsichtbar blieb. Auch am folgenden Tag liefen sie in der weißen Glocke weiter. Am vierten Tag wechselten sie auf die polnische Seite des Riesengebirges. In einem Hochtal hob sich der Nebel, und zum ersten Mal gab es wieder ein wenig Sicht. Am fünften Tag ging es schon wieder zurück. „Der Aufstieg auf die Schneekoppe und die Felsenstadt waren die Highlights“, fasst Hubert Huthmacher zusammen. „Das waren imposante Eindrücke“, findet auch Markus Neu. Wer sich selbst ein Bild machen will, findet Fotos auf der Heimseite unter www.laeufer-sindlingen.de. hn