Leserbriefe

In der April-Ausgabe schilderte der Vorstandsvorsitzende des Sindlinger Karnevalvereins, Michael Streubel, in einem Leserbrief die unangenehmen Erfahrungen der Karnevalisten während des Kinderfastnachtszugs. Danach forderten muslimische Kinder aggressiv Bonbons und bedrängten die Gardemädchen und Musiker. Dazu erreichten uns zwei Leserbriefe:

Es gibt keine einfache Lösung

Michael Streubel stellt sich der Gefahr von „Anfeindungen“ durch „Integrationsfanatiker“ und schreibt in der letzten Ausgabe des Sindlinger Monatsblatt einen Leserbrief über „bekopftuchte Horden“ in „unserem Land“. Eine Antwort:

Gern erinnere ich mich zurück an die Karnevalsumzüge in Sindlingen, die ich als Kind besuchte. Und ich erinnere mich auch an Jugendliche, die übereifrig Bonbons sammelten. Als christlichen Brauch habe ich den Karneval aber nie verstanden. Ist er ja auch ein heidnisches Fest zur Vertreibung böser Geister, das irgendwann von den Christen vereinnahmt wurde. Herr Streubel schreibt: „Das kann nicht sein, dass muslimische Jugendliche, die ja eigentlich mit dem christlichen Fastnachtsbrauchtum gar nichts am Hut haben, solch ein Ereignis so massiv stören.“

Was Herr Streubel vielleicht nicht wahrhaben will, ist, dass ein Großteil der Menschen, die zum Karneval gehen, auch mit seinem lieben Gott nicht viel am Hut haben. Fragen sie doch mal beim nächsten Umzug ein paar Sindlinger, was die beispielsweise von Keuschheit vor der Ehe halten.

Ich war nicht dabei beim 16. Kinderumzug in Sindlingen. Verharmlosen oder rechtfertigen will ich unflätiges Benehmen schon gar nicht. Aber was sind die Hintergründe und Ursachen für solche Probleme? Wir befinden uns in einem Teufelskreis. Migrantinnen und Migranten erfahren in Deutschland oft Ausgrenzung und Diskriminierung. Das führt dazu, dass sie sich aus der Gesellschaft isolieren. Das wiederum führt dazu, dass sich Angestammte und Migranten nicht austauschen. Vorurteile und Missgunst breitet sich auf beiden Seiten aus. Respekt geht verloren, mehr Probleme entstehen.

Eine einfache Lösung gibt es für dieses Problem nicht. Migrantische Jugendliche, die sich teils massiv danebenbenommen haben, aber als „Horden“ abzustempeln halte ich für höchst kontraproduktiv. Man müsste mit den Jugendlichen gemeinsam eine Lösung finden.

Durch einen Leserbrief allein werden sie ihr Fehlverhalten nicht einsehen. Vielleicht wäre es sogar möglich, sie im Karnevalsverein zu organisieren, um ihnen dieses Brauchtum näher zu bringen. Das wird nicht einfach und das behaupte ich auch nicht. Die Situation erinnert mich an meine ehrenamtliche Arbeit als Gewerkschaftler. Da wollen Kolleginnen und Kollegen auch oft nicht mit den „Muselmanen“ zusammenhalten. Wenn Migranten dann aber als Lohndrücker eingesetzt werden, ist das Geschrei wieder groß. Wir müssen uns organisieren und gemeinsam für Verbesserungen und Lösungen für gesellschaftliche Probleme kämpfen. Das nützt am Ende allen am meisten. Egal ob Christ, Muslim oder Atheist.

Robin Schmidt

 

Miteinander reden

Der Kinderumzug ist für uns eine fröhliche Veranstaltung die wir gerne besuchen. Uns ist auch bewusst, dass die Vorbereitung viel Arbeit, die ehrenamtlich gestemmt wird, bedeutet. Dass das im Leserbrief von Herrn Streubel beschriebene Verhalten einiger Kinder dazu geführt haben soll, dass Mitwirkende die Veranstaltung nicht genießen konnten, tut uns leid. Den Ärger darüber verstehen wir – die Wortwahl und den bisherigen Umgang mit dieser Situation allerdings nicht.

Die Bezüge die Herr Streubel herstellt und die Begriffe, die er verwendet, sind aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Was uns bestürzt ist, dass durch die Art der Formulierung des Briefes pauschal Mitbürger diffamiert werden. Sie erhalten den Eindruck, unerwünscht zu sein. Ein Fehlverhalten benennen ist legitim – was aber hat das Fehlverhalten mit Herkunft, religiöser Zugehörigkeit oder Wohngebiet zu tun? Sollte das Thema „Kopftuch“ nicht längst eine Selbstverständlichkeit sein? Warum sollten Menschen, die „mit dem Fastnachtsbrauchtum nichts am Hut haben“, wie er schreibt, dieses nicht besser kennenlernen dürfen? Für uns ist ein friedliches Miteinander im Stadtteil sehr wichtig. Wir engagieren uns auf vielfältige Weise für ein gutes Zusammenleben mit allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern hier in Sindlingen. Entsprechend ist für uns aber vor allem entscheidend, wie eine Lösung hierfür entwickelt werden und dann schlussendlich aussehen kann.

Können Maßnahmen, die augenscheinlich auf Abgrenzung und erhöhte Schutzmaßnahmen ausgerichtet sind, tatsächlich zu einer Verbesserung führen? Müssten nicht alle Seiten gehört werden, um die Situation bestmöglich zu analysieren und entsprechende Vorschläge machen zu können? Sollten solche Lösungen nicht gemeinsam, mit allen Beteiligten und Akteuren im Stadtteil, definiert werden?

Gerne sind wir bereit, gemeinsam einen Weg zu finden und laden Vertreter des Karnevalsvereins ein, zu überlegen, wie jeder von uns dazu beitragen kann.

Wenn die „Störer erkannt wurden“, wie Herr Streubel schreibt, dann gibt es doch die Möglichkeit, mit ihnen zu reden und an einer Lösung zu arbeiten. Auch gibt es im Stadtteil Stellen, die dies unterstützen. Diese sind Herrn Streubel, der selbst im Stadtteil vielfältig engagiert ist, ganz sicher bekannt. Das Quartiersmanagement und der Jugendclub wären mögliche Anlaufstellen – sie wurden aber bisher nicht einbezogen.

Der Kinderumzug wird zu Recht als im Stadtteil und der Umgebung beliebt beschrieben. Wir möchten, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Für den Frischhalteclub:

Christa Sepe, Monika Calzolari, 

Ilse Guvernator, Maria Moor, 

Gerda Schneider, Christa Neuser