Freud und Leid der Sommerzeit

Freud und Leid der Sommerzeit

Umstellung Länger hell kontra früher raus: Umfrage in Sindlingen

„Toll, endlich ist es abends wieder länger hell“, jubeln die einen. „Oh nein, jetzt muss ich morgens eine Stunde früher raus“, stöhnen die anderen. In der Nacht vom 24. auf den 25. März werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. In Mitteleuropa beginnt die Sommerzeit.

Eingeführt wurde der Zeitsprung 1980. Damals, kurz nach der Ölkrise, erhoffte sich die Regierung davon eine Energieeinsparung. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Doch die Sommerzeit ist geblieben.

Viele Menschen begrüßen das. Sie sehen Vorteile darin, dass es nach Feierabend noch lange nicht dunkel wird und mehr Zeit für Außenaktivitäten bleibt. Allerdings kann das Uhrenumstellen zweimal im Jahr auch negative Auswirkungen haben. Bei vielen Menschen leidet der Biorhythmus unter der künstlichen Veränderung. Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen und Depressionen sind belegt, es gibt mehr Unfälle, mehr Krankmeldungen und mehr Herzinfarkte in den Tagen nach der Zeitumstellung. Manche Menschen nervt die gewaltsame Veränderung der Zeit einfach nur. So bildete sich schon vor Jahren eine Initiative „Zeitumstellung abschaffen“. „In vielen Bereichen des privaten Lebens und des Arbeitslebens ist die Zeitumstellung eine unnütze und unnötige Mehrbelastung, die, wenn falsch gehandhabt oder vergessen wird, empfindliche Konsequenzen mit sich bringen kann“, heißt es auf ihrer Internetseite.

Vor wenigen Wochen befasste sich das EU-Parlament mit der Sommerzeit. Die Verabschiedung einer Resolution zur Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung scheiterte. Jedoch wurde die EU-Kommission beauftragt, sich mit dem Thema zu beschäftigen mit dem Ziel, die Zeitumstellung abzuschaffen. Das heißt vor allem, neue Gutachten und Studien über die Auswirkungen zu erstellen Mit anderen Worten: Die Zeitumstellungen bleiben uns voraussichtlich noch lange erhalten. Im Guten wie im Schlechten.

Was halten Sindlinger davon? Wir haben uns einmal umgehört.

Miriam Oster und Alexander Krauß

Miriam Oster und Alexander Krauß

„Mir ist es gleichgültig“, sagt Dr. Alexander Krauß, früherer Besitzer der Alexander-Apotheke: „Die Aufregung um das Thema ist zum Teil künstlich, glaube ich. Ich habe eine Zeit erlebt, als es eine doppelte Sommerzeit gab, in den 70-er Jahren, wegen der Ölkrise. Da waren es zwei Stunden, meine ich. Das war schon heftig. Die eine Stunde macht jetzt doch nicht viel aus.“ Seine Tochter Miriam Oster, Inhaberin der Alexander-Apotheke: „Ich mag die Zeitumstellung, weil es schön ist, wenn es abends länger hell ist. Ich freue mich aber auch, wenn es im Winter wieder früher dunkel wird. Ich finde die krasse Umstellung schön.“

Bertold Alleweldt

Bertold Alleweldt

„Ich bin ein großer Fan der Sommerzeit“, sagt Bertold Alleweldt, Vorsitzender des Fußballclubs Viktoria: „Es ist länger hell, man kann länger ohne Flutlicht auf dem Rasen trainieren“. Außerdem „habe ich es gerne lange hell. Das ist dann wie im Süden, weckt sommerliche Gefühle. Dass es morgens anfangs etwas dunkler ist, macht mir nichts aus. Und bei der Umstellung Herbst kann man eine Stunde länger schlafen. Das läutet dann den Winter ein.“

Diego Farinola

Diego Farinola

„Man hat sich daran gewöhnt in den letzten 20, 25 Jahren“, sagt Diego Farinola, Geschäftsführer der gleichnamigen Firma für Baudekoration und Renovierungs-/Sanierungsarbeiten am und im Haus. „Für Außenarbeiten ist die Sommerzeit von Vorteil, weil man abends länger arbeiten kann. Für die Leute ist es aber schwierig“, weiß er. Die Handwerker fangen in der Regel um 6.15 Uhr an, da tut die Stunde, die im März „weggenommen“ wird, weh. Im Winter dagegen fehlt diese Stunde. „Wenn es dann schon um 16 Uhr dunkel wird, ist der Tag für Außenarbeiten sehr kurz“, findet Farinola.

Gennaro Cassavia

Gennaro Cassavia

„Muss nicht sein. Für mich wäre es in Ordnung, wenn die Uhrzeit nicht verändert würde“, sagt Gennaro Cassavia von der gleichnamigen Pizzeria. „Am besten wäre es, wenn immer Sommerzeit wäre“, meint er, auch im Hinblick auf die Außenbewirtschaftung.

Angelika Mayer Fotos: Sittig

Angelika Mayer Fotos: Sittig

„Ich finde es schon jahrelang unnötig“, sagt Angelika Mayer, Leiterin des katholischen Kindergartens St. Kilian. „Ich komme aus dem Rhythmus, mir fehlt diese Stunde. Und auch mein Hund merkt es“, sagt sie, „er ist dann ganz gaga.“ Morgens um 5 schon Gassi gehen zu müssen, mögen weder Frauchen noch Hund: „Das macht mich ganz fertig. Und im Winter bis ich abends müde und muss dann schon um sieben ins Bett“, sagt sie: „Ich bin ganz klar gegen die Zeitumstellung.“

 

Die Kirchturmsuhr stellt sich automatisch um

Wer dreht eigentlich an der Kirchturmsuhr? „Niemand“, sagt Wolfgang Scheh, „Glöckner“ von St. Dionysius: „Das geschieht automatisch per Funksignal.“ Früher stieg er am Tag der Zeitumstellung in den Kirchturm, um das alte Stellwerk manuell anzupassen. Heute ist sein Einsatz nur noch an besonderen Tagen nötig, wenn Festgottesdienste wie zu Ostern nicht von den Stundenschlägen gestört werden sollen. Dann gibt Wolfgang Scheh an einer modernen, kleinen Schaltuhr die nötigen Befehle („Läuten aussetzen“). Sonst schlagen die vier Glocken mit den Namen Herz Jesu, Maria, Dionysius und Antonius täglich zwischen 7 Uhr und 22 Uhr zu jeder vollen Stunde die Uhrzeit. Zusätzlich gibt es dreimal am Tag ein zweiminütiges Läuten mit einer Glocke, nämlich um 7.31 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr. Das alles ist ebenso programmiert wie die Zeiten der Gottesdienste mit dem zugehörigen Geläute.

Wolfgang Scheh kümmert sich ums Geläut in St. Dionysius.

Wolfgang Scheh kümmert sich ums Geläut in St. Dionysius.

Sender steht in Mainflingen

Nachtschwärmer können dabei zusehen, wie ihnen die Nacht verkürzt wird. Um 2 Uhr am Sontag, 25. März, legen die Zeiger funkgesteuerter Uhren eine Extrarunde ein, Digitaluhren springen einfach um eine Stunde vor und zeigen 3 Uhr an. Verantwortlich dafür ist ein Langwellensender in Mainflingen. Das ist ein Ortsteil von Mainhausen im Landkreis Offenbach. Der Zeitzeichensender mit der Bezeichnung DCF77 versorgt die meisten Funkuhren im westlichen Europa mit der in Deutschland geltenden gesetzlichen Uhrzeit.

Und ohne Funk Uhr?

Vor oder zurück? Wer sich nicht merken kann, in welche Richtung die Uhren am letzten Sonntag im März und am letzten Sonntag im Oktober umgestellt werden, kann sich mit folgender Eselsbrücke behelfen: Im Frühjahr stellt man die Gartenmöbel vor die Tür, im Herbst stellt man sie zurück in den Schuppen.